621-1/95 HAPAG-Reederei, 1847-1970 (Bestand)

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Ref. code:621-1/95
Title:HAPAG-Reederei
Laufzeit:(1789) 1847-1970
Level:Bestand

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Number:5595
Running meters:130.00

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Administration history:Die "Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft" (HAPAG), die sich später der Einfachheit halber "Hamburg-Amerika Linie" (HAL) nannte, wurde am 27. Mai 1847 von einem kleinen Kreis hamburgischer Kaufleute gegründet. Sie diente der Schaffung einer regelmäßigen Verbindung Hamburgs mit Nordamerika und nahm im Oktober 1848 mit dem Vollschiff "Deutschland" ihren Betrieb auf. 1856 begann sie, Dampfschiffe einzusetzen und entwickelte sich - nicht zuletzt begünstigt durch die stark anwachsende Auswanderung von Europa nach Nordamerika - bis 1914 zur größten Reederei der Welt. Ihre Flotte umfaßte vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges 439 Fahrzeuge, darunter 175 Seedampfer, mit 1.360.360 BRT. 75 Liniendienste verbanden Hamburg mit etwa 400 Hafenplätzen in aller Welt. Die Belegschaft umfaßte mit Land- und fahrendem Personal ca. 25.000 Menschen. 1913 wurden auf 2.218 Ozeanreisen 464.000 Passagiere und 8,3 Millionen Tonnen Güter befördert.

Diese gedeihliche Entwicklung, die auf das engste mit der Person Albert Ballin, ihrem unternehmerischen Geschick und ihrer großen Weitsicht verbunden ist, wurde durch den Ersten Weltkrieg massiv und tiefgreifend abgebrochen. Neben direkten Kriegsverlusten durch Versenkung und Beschlagnahme war es vor allem die durch den Friedensvertrag von Versailles und die Londoner Abkommen festgelegte Auslieferung der gesamten Hochseeflotte, die den Verlust der HAPAG-Kapazitäten bewirkte. Nach und nach gelang es unter Leitung von Dr. Wilhelm Cuno, der Ende 1918 die Nachfolge des überraschend verstorbenen Ballin angetreten hatte, vor allem in Kooperation mit dem us-amerikanischen Harriman-Konzern, nahezu alle Liniendienste der Vorkriegszeit wieder aufzunehmen. 1926 erfolgte die Trennung von Harriman bei Übernahme des größten Teils von dessen Flotte und die Fusion mit der "Deutsch-Austral-Kosmos-Gruppe", die sich zuvor aus der Fusion der "Deutschen Dampfschifffahrtsgesellschaft Kosmos" (DDG Kosmos) und der "Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft" (DADG) gebildet hatte. Nun besaß die HAPAG 141 Seeschiffe mit 809.000 BRT und hatte ihr Liniennetz um die Fahrtgebiete Südafrika, Niederländisch-Indien (heute: Indonesien) und Australien erweitert.

Die Weltwirtschaftkrise mit ihrer starken Verringerung von Fracht- und Passagierfahrt brachte auch die deutschen Großreedereien in schwere Bedrängnis. HAPAG versuchte, die Folgen der Krise gemeinsam mit der "Norddeutschen Lloyd AG" (NDL) abzumildern. Ein Unionsvertrag sollte eine weitgehende Verwaltungs-, Arbeits- und Ertragsgemeinschaft bringen. Da zuvor bereits viele Reedereien durch Kapitalbeteiligungen an die beiden Großreedereien angebunden waren, war durch diese Union fast die ganze deutsche Überseeschiffahrt in einem riesigen Gebilde zusammengefaßt.

Die Machtübergabe an die Nationalsozialisten brachte weitgehende Umgestaltungen im Reedereisektor mit sich, die zunächst noch vom Staatskommissar für die Seeschiffahrt koordiniert wurden. Der Unionsvertrag zwischen HAPAG und NDL wurde gelockert und intern eine Reihe von Diensten bzw. Linien unter jeweiliger Leitung von Liniendirektoren gebildet. Südamerika- und Afrikadienste, "Deutsche Levante-Linie" und "Hamburg-Rhein Linie" wurden mit dem Schiffsbestand ausgegliedert und den bestehenden Spezialreedereien übertragen bzw. verselbständigt. Eine Neuordnung erfolgte auch für die Finanzen der Reedereien, was durch die Zahlung der aufgrund der "War Claims Act" in den USA erstrittenen Entschädigungsgelder erleichtert wurde. Der Nordatlantik-Personenverkehr wurde in der "Nordatlantikdienst GmbH" (NORDA) zusammengefaßt. Die Konsolidierung der HAPAG, d.h. vor allem: die Lösung vom Geldtropf des Deutschen Reiches, ging einher mit der Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Lage Deutschlands.
Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges wurde dann fast der gesamte Schiffsbestand der HAPAG versenkt oder beschlagnahmt. Erst 1947 begann mit einem ersten Schiffskauf eine neue Ära. 1950 wurden die ersten drei Atlantik-Liniendienste wieder aufgenommen und nach und nach das Liniennetz erweitert. Gefördert von der Wirtschaftpolitik der jungen Bun-desrepublik wuchs die Flotte an und wies 1957 bereits 37 Frachter auf. Das Passagiergeschäft ging infolge der Verlagerung auf die Passagierluftfahrt immer weiter zurück. Der Strukturwandel in der Großschiffahrt, vor allem die Durchsetzung des Containerverkehrs mit zahlreichen Vorläufern führte dann im September zur Fusion zwischen HAPAG und NDL rückwirkend zum 1. Januar 1970. Seitdem heißt das Unternehmen "HAPAG-LLOYD AG" mit Sitz in Hamburg und Bremen.
Archival history:Das "Archiv" und die verschiedenen Altregistraturbestandteile der unterschiedlichen Abteilungen der bis 1970 bestehenden HAPAG kamen mit Ausnahme der umfangreichen Foto- und Plakatsammlung in einer Reihe von Ablieferungen seit Sommer 1989 in das Staatsarchiv. Sie wurden bis 1993 in der irrigen Annahme, daß es keinen weiteren Zuwachs gäbe, als geschlossener Bestand verzeichnet. Da danach weitere Ablieferungen erfolgten und auch in Zukunft mit Ablieferungen kleineren Umfangs zu rechnen ist, musste der Bestand wieder geöffnet werden. Das führt in den einzelnen Gliederungsgruppen jeweils am Ende zu Springnummern. Zu beachten ist, daß diese angefügten Stücke in den Gliederungsgruppen außerhalb der chronologischen Reihenfolge stehen.

Auffällig ist das Fehlen des älteren Schriftgutes der Firma aus der Zeit vor 1918 (mit Ausnahme der Schiffsakten). Es scheint, als habe der erste Biograph Albert Ballins, der zu Lebzeiten als sein persönlicher Referent arbeitende Bernhard Huldermann (siehe B. Huldermann, Albert Ballin, Oldenburg und Berlin 1921), der sich auf den ausdrücklichen Wunsch Ballins berufen konnte, "seinen schriftlichen Nachlaß zu ordnen und nach bestem Ermessen zu verwerten" (Vorwort zur Biographie), einen Teil der Akten entfremdet hat. Vereinzelt tauchen im Antiquitätenhandel immer wieder Bruchstücke der Ballin-Überlieferung auf. Aber auch die reinen Geschäftsvorgänge, die nicht aus dem engeren Wirkungskreis Ballins stammen, fehlen heute, ohne daß wir wissen, wohin sie gelangt sind [Anm.: Einem internen zeitgenössischen Vermerk eines Registrators zufolge soll um 1903, also vor dem Einzug in das neue Verwaltungsgebäude der Reederei am Ballindamm, relativ viel Schriftgut, welches man offenkundig in jener Zeit für "entbehrlich" hielt, vernichtet worden sein - dies würde die nur bruchstückhaft erhaltene Überlieferung aus der Zeit davor erklären]. Zu der Ära Ballin bietet ansonsten der Nachlass von Johannes Theodor Merck (1896-1919 im Direktorium der HAPAG), der sich im Bestand Familie Merck erhalten hat, einen gewissen Ersatz.

Ein Teil der Berichte, die der Berliner Resident der HAPAG, Arndt von Holtzendorff, im Ersten Weltkrieg an die Generaldirektion in Hamburg sandte, wurden 1942 vom "Reichsinstitut für die Geschichte des Neuen Deutschland" (Oberst Nicolai) ausgeliehen und kamen erst 1991 nach einem verschlungenen Weg vom Bundesarchiv als Depositum in das Staatsarchiv, um dem Firmenarchiv wieder eingefügt zu werden.

Eine ältere Ablieferung von Dr. Hans W.T. Schütte, lange Jahre Syndikus und Leiter der Rechtsabteilung der Firma, stellte einen Handakten- und Drucksachenapparat mit ausschließlichem Bezug auf das Verfahren zur Rückgabe im Ersten Weltkrieg durch die Regierung der USA beschlagnahmter Werte vor dem "War Claims Arbiter" dar. Diese Ablieferung wurden im Staatsarchiv als Firmenarchiv "Hamburg-Amerika Linie" geführt. Nach der Deponierung des eigentlichen Firmenarchivs stellte sich heraus, dass eine Eingliederung dieses Materials einen unverhältnismäßig hohen Arbeitsaufwand erfordert hätte. Deshalb wurde dieses Material - als Firmenarchiv "HAPAG-Kriegsschädensausgleich" bezeichnet - separat belassen und ist bei entsprechenden Fragen immer heranzuziehen.

Von der Gesamtheit des im Rahmen der weitverzweigten Geschäftstätigkeit der HAPAG sind sicher nur Bruchstücke gerettet worden. Mit recht starken Anteilen sind die Bereiche Direktion/Vorstand und Juristische/Rechtsabteilung vertreten, daneben das Literarische Büro, die Werbeabteilung und die Nautische Abteilung (mit Schiffsakten) sowie die Technische Abteilung (mit Schiffsplänen). Die älteren Bestände des Vertragsbüros - insbesondere die Vertragsbücher - geben einen guten Einblick in die Verbindungen der Firma und ihre weitreichenden Engagements. Hingegen fehlen fast alle Unterlagen aus der Personalabteilung und der Abteilung Offizierspersonalien.
Von den selbständigen GmbHs der HAPAG ist nur die "Seebäderdienst GmbH" einigermaßen umfänglich dokumentiert, während von den "Kai- und Hafenbetrieben der HAL GmbH" und den "Technischen Betrieben der HAL GmbH" bisher nichts überliefert ist. Am weitesten ging bei der Bewertung des für die praktische Geschäftstätigkeit der Firma noch benötigten Materials die Finanzabteilung, die bislang kaum etwas abgeben mochte.

Aus den verschiedenen Ablieferungen konnte der alte Registraturzusammenhang nur teilweise über Aktenzeichen und Abteilungssignaturen erschlossen werden; der größere Teil des zu einem erheblichen Anteil aus Handablagen stammenden Schriftgutes war nur durch die Bestimmung der Tätigkeitsbereiche der als Brief- bzw. Notizempfänger genannten Personen möglich. Da sich gerade bei langjähriger Betriebszugehörigkeit die Tätigkeitsfelder bisweilen änderten, konnte nicht immer mit letzter Klarheit der letzte Platz der jeweiligen Akte bzw. des jeweiligen Konvoluts festgestellt werden. Aus der Tatsache, daß im Vorstand/Direktorium unterschiedliche Personen mit gleichen Sachfragen befaßt waren, dass auch der Aufsichtsratsvorsitzende eine Registratur unterhielt und dass in den Abteilungen jeweils Sachakten geführt wurden, resultiert, dass manche Sachbetreffe mehrfach und an verschiedenen Stellen erscheinen. Da alle Bearbeiter eigene Kompositionen von Schriftgut vorgenommen haben, wurde darauf verzichtet, jeweils alle Überlieferungsstränge in einer Akte zusammenzufassen. Es sind überhaupt nur aus der Rechtsabteilung Registraturpläne (in zwei Schichten) überliefert. Die älteren Registraturordnungen des Direktions-/Vorstandsarchivs und der anderen Abteilungen müssen - sofern es sie je gab - als verloren gelten. Um die für die Verzeichnung gewählte Systematik möglichst transparent zu machen, wurden im Anschluß an das Vorwort mehrere Stufen der Organisationsentwicklung der HAPAG schematisch dargestellt.

Das Jahr der Fusion zwischen HAPAG und NDL (1970) wurde als Grenzjahr für den Bestand HAPAG-Reederei gewählt. Die Laufzeit des Bestandes HAPAG-Kriegsschädensausgleich liegt innerhalb der Laufzeit dieses Bestandes. Das wenige Schriftgut, das bisher aus der Tätigkeit der HAPAG-LLOYD AG an das Staatsarchiv gelangt ist, bildet den Bestand HAPAG-LLOYD AG. Allerdings ist zu beachten, dass bei den Schiffsakten und bei den Schiffsplänen die nach der Fusion von HAPAG und NDL gebildete Einheit nicht aufgehoben wurde. Es befinden sich in diesem Bestand also auch Schiffsakten und Pläne von Schiffen, die zwischen 1933 und 1969 zur Reederei des NDL gehörten. Darüberhinaus gibt es auch Pläne, die bereits in die Zeit der HAPAG-LLOYD AG gehören. Sie sind wegen auch deshalb bei diesem Bestand geblieben, weil ein Zerreissung der Überlieferung durch den Deponenten als unerwünscht angesehen wurde und die Benutzung erschwert hätte. Das wenige Material, das aus der Kriegszerstörung der Verwaltung des NDL in Bremen gerettet werden konnte und heute ein eigenes kleines Firmenarchiv im Staatsarchiv Bremen bildet, kam für eine Vereinigung mit dem hier verwahrten Archivgut nicht in Frage.

Oktober 1997, gez. Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt

Am 20.12.2012 wurde von der Hapag-Lloyd-Registratur noch eine Akte (Nr. 4966) nachgeliefert, die historische Dokumente (Korrespondenzen, Fotos) enthält, die von dritter Seite zusammengetragen wurden und sich mit der Tätigkeit des Konsuls Julius Jochimsen auf der Insel St. Thomas für die Hapag-Reederei zwischen 1916 und 1921 befassen.

Dezember 2012, Volker Reißmann

Der Bestand ist wie folgt zu zitieren: Staatsarchiv Hamburg, 621-1/95 HAPAG-Reederei, Nr. ...

Hinweise:
Vgl. die Bestände
621-1/60 Firma HAPAG - Kriegsschädensausgleich
621-1/92 Firma HAPAG-LLOYD
622-1/62 Familie Merck
und das Einzelarchivale 731-1 Handschriftensammlung 2673: "Führende Männer der HAPAG" (1993).
Kommentierte Beständeübersicht:Reederei;
Geschäftsleitung (1847-1974); Kaufm. Bereich (1847-1970); Techn. Bereich (1882-1956); Sozial-/Personalbereich (1884, 1899-1955); Korrespondenzen (1888-1974); Buchhaltung (1847-1970); Abbildungen, Zeichnungen, Pläne (o.D., 1888-1897, 1911-1959, 1971); Gremientätigkeit (1887-1970); Statistiken (1847-1971); enth. auch Unterlagen über Beteiligungen (1872-1970) und Internationales Schiffahrtsrecht (1920-1969) sowie Berichte des Berliner Residenten Arndt von Holtzendorff (1914-1924) und der Akademie für Deutsches Recht (1933-1947)

Conditions of access and use

Access regulations:Benutzung nur mit Genehmigung des Deponenten. Benutzung nach HmbArchG.

Auch die Anfertigung von Reproduktionen ist nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Depositalhalters möglich. Reproduktionserlaubnis gilt - sofern erteilt - auch für das eigenhändige Fotografieren durch Benutzende.

Die Anfrage zur Genehmigung der Benutzung einzelner Archivguteinheiten des Bestandes ggf. mit der Anfertigung von Reproduktionen senden Benutzende bitte selbstständig an:

Hapag-Lloyd AG
Unternehmensdokumentation/Company Records
Frau Martina Fähnemann
Ballindamm 25
20095 Hamburg
Germany

E-Mail: martina.faehnemann@hlag.com
Finding aids:Scope
Findbuch (Papier)
Signierung:Sonstiges

Information on related materials

Related material:731-1 Handschriftensammlung 2673: "Führende Männer der HAPAG" (1993)
Publications:- B. Huldermann, Albert Ballin, Oldenburg und Berlin 1921
- R. Landerer, Geschichte der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Aktien-Gesellschaft, Hamburg 1897
- Neunzig Jahre Hamburg-Amerika Linie 1847-1937, Hamburg 1937
- L. Cecil, Albert Ballin. Wirtschaft und Politik im deutschen Kaiserreich 1888-1918, Hamburg 1969
- H.J. Witthöft, HAPAG - Hamburg-Amerika Linie, Herford 1973
- A. Kludas, Die Schiffe der Hamburg-Amerika Linie, 3 Bände, Herford 1980 ff.
- Unser Feld ist die Welt, hrsg. v. HAPAG-LLOYD AG, Hamburg 1997
 

Containers

Number:2
 

Related units of description

Related units of description:siehe auch:
621-1/60 HAPAG-Kriegsschädenausgleich, 1898-1937 (Bestand)

siehe auch:
621-1/92 Hapag-Lloyd AG, 1968-1987.03 (Bestand)

siehe auch:
622-1/62 Merck, 1810-1936 (Bestand)
 

Usage

End of term of protection:12/31/2000
Permission required:Deponierende
Physical Usability:Uneingeschränkt
Accessibility:Öffentlich
 

URL for this unit of description

URL:https://recherche.staatsarchiv.hamburg.de/ScopeQuery5.2/detail.aspx?Id=5394
 

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