213-12__ Hahn, Ludwig Hermann Karl, Dr. iur., u.a., wegen der organisatorischen Gestaltung und Leitung der Deportation von mindestens 230.000 Juden aus dem Warschauer Ghetto in das Vernichtungslager Treblinka, Beteiligung an der Deportation durch Absperren und Durchsuchen des Ghettos, Selektion un

Archive plan context


Ref. code:213-12__
Title:Hahn, Ludwig Hermann Karl, Dr. iur., u.a., wegen der organisatorischen Gestaltung und Leitung der Deportation von mindestens 230.000 Juden aus dem Warschauer Ghetto in das Vernichtungslager Treblinka, Beteiligung an der Deportation durch Absperren und Durchsuchen des Ghettos, Selektion und Zuführung der zu deportierenden Juden zum "Umschlagplatz" und Einzelerschießungen im Ghetto in mehreren Fällen im Zeitraum vom 22.07.1942 bis zum 03.10.1942 (KdS Warschau) (Staatsanwaltschaft Hamburg 147 Js 16/69, abgetrennt aus 141 Js 192/60)
Laufzeit:(1942) 1960-1996
Contains also:Wichtige Zeugen: Reich-Ranicki, Marcel; Kanal, Jerzy; Streckenbach, Bruno; Worthoff, Hermann; Höfle, Hermann (+); Stroop, Jürgen (+).
Enthält u.a.: Umfang / Inhalt: 173 Bde. Hauptakten (bis Bd. 129 identisch mit 141 Js 192/60), Bd. 130 - Bd. 173: Bl. 24753 - Bl. 31690; 5 Bde. Handakten 1195 Bl., Vollstreckungs- und Gnadenhefte; Kopien Dokumente (Czerniakow-Tagebuch; Auerswald-Akten), Lichtbildmappe mit Täterfotos und Fotos aus Buch "Struggle, Death, Memory", hrsg. Council for the Preservation of the Monuments of Struggle and Martyrdom, bearb. Stanislaw Poznanski, Warschau 1963., 15 Ordner Zeugenaussagen u. BDC-Unterlagen zu Zeugen, 20 Ordner Dokumente, Pläne, Beiakten aus Klaustermeyer, Michalsen und Höfle-Verfahren, BDC-Unterlagen der Beschuldigten.-
Straftatbestand: Beauftragter für die Durchführung der "Aktion Reinhard" war der SSPF Lublin, SS-Gruppenführer Odilo Globocnik, Leiter der Hauptabteilung des "Einsatzes Reinhard" war der SS-Sturmbannführer Hermann Höfle (siehe Wien 27c Vr 852/62). Mitte Juli 1942 traf das etwa 20 Mann starke Lubliner Kommando unter Höfles Führung in Warschau ein (siehe Hamburg 141 Js 573/60). Das Lubliner Kommando hieß in Warschau "Aussiedlungsstab" und war zunächst in der Aleja Szucha im KdS-Gebäude, später in der Zelasna-Straße 103 ansässig. Die Einsatzgruppe IV der Sipo unter Führung von Lothar Beutel leitete zwei Tage nach der Besetzung Warschaus durch deutsche Truppen die Vorbereitung der Ghettoisierung der Juden ein. Nachdem mehrere Pläne zur Bildung von Judenreservaten und Stadtrandghettos sich als nicht durchführbar erwiesen, wurde im August 1940 das Ghetto in dem bereits mehrheitlich von Juden bewohnten Teil Warschaus in der Innenstadt errichtet. Durch Schilder mit der Aufschrift "Seuchensperrgebiet" war dieser bereits seit April 1940 vom übrigen Stadtgebiet getrennt. Das Ghetto wurde von einer drei Meter hohen Mauer und einem Stacheldrahtaufsatz umschlossen. Bis zum 31.10.40 mußten alle Warschauer Juden im Ghetto wohnen. Im November 1940 wurden 11.130 noch nicht im Ghetto ansässige Juden zwangsweise im Ghetto interniert. Auf etwa 403 Hektar wohnten nach Angaben des Judenrates etwa 410.000 Juden, nach Schätzungen deutscher Behörden etwa 470 - 590.000 Menschen. Damit war das Warschauer Ghetto das größte Ghetto im deutschen Einflußbereich. Während anfangs 22, später 15 Ghettotore existierten, gab es zum Schluß nur noch vier von deutscher und polnischer Polizei bewachte Ghettotore. Zur Verwaltung des Ghettos wurde die Dienststelle des Kommissars für den jüdischen Wohnbezirk (KjW) errichtet, die dem Distriktsgouverneur unterstand. Leiter war Heinz Auerswald (verstorben). Die Transferstelle unterstand dem KjW und überwachte die wirtschaftlichen Beziehungen der Juden zur Außenwelt. Auerswald selbst führte die Aufsicht über den 24-köpfigen Judenrat. Monatlich mußte der Judenrat Berichte an den KjW Auerswald erstatten. Dem Judenrat unterstand der jüdische Ordnungsdienst, aber auch der KjW konnte dem jüdischen Ordnungsdienst unmittelbar Weisungen erteilen. Der Judenratsvorsitzende Adam Czerniakow mußte regelmäßig jeden Samstag den Angehörigen des Judenreferats IV B 4 des KdS Warschau in der Aleja Szucha Bericht erstatten. Im Januar 1941 gab es etwa 27.000 Wohnungen im Warschau Ghetto die durchschnittlich mit 15,1 Personen belegt waren. Jedes Zimmer war durchschnittlich mit sechs bis sieben Personen belegt. Die Situation verschlechterte sich dadurch, daß 1941 fast 65.000 Juden und 1942 weitere mindestens 10.000 Juden von außerhalb ins Warschauer Ghetto eingewiesen wurden. Durch sogenannte Grenzberichtigungen im Süden des Ghettos verloren weitere 50.000 Juden ihre Wohnungen. Durch die Überbelegung kam es zu Epidemien. Mangel an Lebensmitteln, Medikamenten und sanitären Einrichtungen führten zur schnellen Ausbreitung der Seuchen. Die Oberfeldkommandatur (OFK) Warschau beschrieb in einem Bericht an den Militärbefehlshaber im Generalgouvernement (GG) die Lage im Ghetto folgendermaßen: "Das Getto wächst sich zu einem Kulturskandal, einem Herd von Krankheiten und Aufzucht des schlimmsten Untermenschentums aus." Durchschnittlich starben jeden Monat weit über 4000 Juden. Zahlreiche Juden - teils mehrere hundert - wurden in den Straßen erschossen, weil sie Lebensmittel zu schmuggeln versuchten. Am 17./18.04.42 wurden 52 Juden erschossen, die in Verdacht standen, eine Untergrundzeitung herausgegeben zu haben bzw. diese zu finanzieren. Agenten des KdS Warschau streuten Gerüchte, so daß die Bevölkerung im Ghetto verunsichert war über die Zukunft des Ghettos.
Am 22.07.42 begann die Räumung des Ghettos Warschau, die bis zum 03.10.42 dauerte. Mehrere hunderttausend Juden aus dem Warschauer Ghetto wurden nach Treblinka deportiert und sofort vergast, teils auch erschossen (Siehe Düsseldorf 8 Js 10904/59). Laut Stroop-Bericht wurden 310.322 Menschen deportiert, laut Angaben des Distriktgouverneurs von Warschau wurden 400.000 Juden deportiert. Leiter der Ghettoräumung im Sommer 1942 war zumindest nominell der SSPF Warschau, SS-Oberführer Dr. Ferdinand von Sammern-Frankenegg (erschossen am 20.09.44 in Kroatien). Allerdings waren die SSPF Warschau bis zum Frühjahr 1943 reine Kommandobehörden ohne eigenen Unterbau und Exekutivgewalt. In etwa standen dem SSPF Warschau 20 Mann zur Verfügung. Der KdS Warschau dagegen hatte zwischen 600 und 800 deutsche Bedienstete zur Verfügung, außerdem 1000 Mann polnische Kripo und ukrainische und kosakische Wachkompanien. Vor Beginn der Ghettoräumung im Sommer 1942 richtete Dr. von Sammern-Frankenegg die sogenannte Werterfassungsstelle ein, die die Wertgegenstände der Juden nach deren Deportation zu sichern hatte. Das Personal für die Werterfassungsstelle stammte vom KdS Warschau. Auch Angehörige der Werterfassungsstelle beim SSPF Warschau beteiligten sich an den Deportationen, im wesentlichen aber waren die Angehörigen des Lubliner Kommandos die Ausführenden. Dem Kommando Höfle unterstanden die jüdische Ordnungspolizei und uniformierte polnische Polizei. Außerdem war eine Einheit der deutschen Ordnungspolizei im Einsatz, der eine lettische oder litauische Einheit von Hiwis unterstand. Die Sicherheitspolizei unterhielt ein vier bis sieben Mann starkes ständiges Ghettokommando (siehe Bielefeld 5 Ks 1/64). Das Ghettokommando konnte bei Bedarf auf bis zu 25 Mann vergrößert werden. Das Lubliner Kommando (Höfle), dem 250 bis 800 ukrainische Hiwis oder Trawnikis unterstanden (siehe Hamburg 147 Js 43/69), sollte am Umschlagplatz eingesetzt werden und die Verladung der Juden in die Waggons beaufsichtigen, das Umsiedlungskommando des KdS Warschau unter Führung von Gottlieb Höhmann sollte die Wohnungen durchsuchen und die Juden zum Umschlagplatz bringen. Erst nachdem klar war, daß die Juden nicht freiwillig zum Umschlagplatz kamen, wurden Räumtrupps des Lubliner Kommandos auch im Ghetto selbst eingesetzt. SS-Sturmbannführer Höfle, sein Stellvertreter Michalsen und ein weiterer Angehöriger des Aussiedlungsstabes des KdS Lublin, SS-Hauptsturmführer Hermann Worthoff (geb. 23.03.10 in Bergisch-Gladbach), sowie weitere KdS Warschau-Angehörige - möglicherweise der Führer des Umsiedlungskommandos des KdS Warschau, der stellvertretende Leiter der Abteilung IV beim KdS Warschau, Gottlieb Höhmann (verstorben), teilten dem Vorsitzenden des Judenrates, Adam Czerniakow, am 22.07.42 im Judenratsgebäude die geplante sogenannte Umsiedlung mit, die auf Befehl des SSPF Dr. von Sammern-Frankenegg erfolgte. Der Wortlaut der Anordnung ist bekannt, die Sitzung wurde protokolliert von Marcel Reich-Ranicki. Bis auf die in als kriegswichtig eingestuften Betrieben arbeitenden Juden, deren Angehörigen und Beschäftigten des Judenrates, des jüdischen Ordnungsdienstes und der Krankenhäuser, sollten alle anderen Juden deportiert werden.
Der Beginn der Aktion wurde auf den 22.07.42, 11 Uhr morgens, festgesetzt. Vor Beginn der Deportation waren Juden als Geiseln festgenommen worden, die mit ihrem Leben für die reibungslose Durchführung der Aktion einstehen sollten. Die Deportation ging in drei Phasen vor sich: ab dem 22.07.42 wurden die Insassen von Altersheimen und Krankenhäusern, Waisenhäusern und Gefängnisinsassen zum sogenannten Umschlagplatz in der Stawkistraße gebracht. Der jüdische Ordnungsdienst brachte vor allem Juden aus den ärmsten Vierteln im Ghetto aus der Pawia und Krochmalnastraße zum Umschlagplatz. Am 22. und 23.07.42 wurde die auf 6000 festgesetzte Quote von Menschen erfüllt, indem Obdachlosenasyle und Kinderheime geräumt wurden. Als die Kinder aus dem Waisenhaus und aus der Verwahrungsstelle für Straßenkinder für die Deportation bestimmt wurden, versuchte Czerniakow vergeblich, dies zu verhindern und nahm sich am Abend des 23.07.42 das Leben. Teils meldeten sich auch Freiwillige, die durch angeblich bessere Lebensbedingungen im Osten und Reiseverpflegung geködert wurden. Am sogenannten Umschlagplatz wurden die Juden von Angehörigen des KdS Warschau, später durch das Lubliner Kommando bewacht. Täuschungen - gefälschte Briefe der sogenannten Umgesiedelten und Beteuerungen des Judenrates zur Umsiedlung in den Osten - führten dazu, daß sich immerhin noch einige Juden freiwillig meldeten. Die Transporte führten nach Treblinka, das am 23.07.42 mit der Tötung der Warschauer Juden in Betrieb genommen wurde. In der zweiten Phase, als das Schicksal der Juden in Treblinka gerüchteweise bekannt wurde und sich keine Freiwilligen mehr meldeten, wurden die täglich vorgesehenen 6000 zu deportierenden Juden durch Blockaden zusammengetrieben. Täglich wurden bestimmte Häuserblocks durch jüdische und deutsche Polizei, Ukrainer und Waffen-SS unter Leitung eines Angehörigen des KdS Warschau oder des Lubliner Kommandos geräumt. Dabei riegelten die Ukrainer den Block ab, jüdische Polizisten forderten die Einwohner zum Verlassen der Wohnungen auf, die deutsche Polizei durchsuchte die Wohnungen. Durchsuchungen der leeren Wohnungen wurden auch von einer Genesenden-Schwadron der SS-Kavallerie Ersatz- und Ausbildungsabteilung der Waffen-SS (Ersatzeinheit des Reiterregiments Fegelein) vorgenommen. Während der Räumung kam es zu Erschießungen auf dem Umschlagplatz und in den Straßen des Ghettos. Versteckte oder sich noch in den Wohnungen befindende Juden wurden sofort erschossen. Die zweite Phase dauerte bis zum 05.09.42. Ab dem 06.08.42 wurde täglich ein weiterer Zug zwischen Warschau und Treblinka eingesetzt, so daß an einigen Tagen über 10.000 Menschen nach Treblinka transportiert wurden. Vom 19. bis zum 24.08.42 fanden keine Deportationen statt, da die Leichenbeseitigung in Treblinka nicht funktionierte. Die nächsten Transporte fanden am 25. und 27.08.42 statt. Ab Mitte August 1942 wurden die Juden, die für deutsche Betriebe arbeitete, im Ghetto kaserniert, d.h. sie erhielten Wohnungen in unmittelbarer Nähe zu ihren Arbeitsstellen. Die Betriebe wurden mit Stacheldraht umgeben, so daß sich die Juden im Ghetto nicht mehr frei bewegen konnten. In die dritte Phase fällt der sogenannte Kessel an der Mila. Alle Juden, die Anfang September 1942 noch im Warschauer Ghetto waren, sollten sich in einem Bezirk nahe der Mila-Straße versammeln. Sie mußten sich geordnet nach den Betrieben, in denen sie arbeiteten, aufstellen. Jeder Unternehmer erhielt eine Zahl von Arbeitern zugebilligt, die den Kessel unter Führung des Betriebsleiters verlassen und in den Betrieb zurückkehren durfte.
Zwischen 80. und 150.000 Juden waren im Kessel an der Mila versammelt. 30.000 wurden als Arbeitskräfte in die Betriebe zurückgebracht, die übrigen deportiert und vergast oder an Ort und Stelle erschossen. Angehörige des Polizeibataillons 61, das dem KdO Warschau unterstand, begleiteten die Transporte nach Treblinka bis Malkinia, wo Wachmannschaften des Vernichtungslagers die Juden übernahmen. Nach der Aktion Kessel an der Mila verließ das Lubliner Kommando spätestens am 15.09.42 Warschau. Razzien und Suchaktionen im Ghetto wurden von da an allein durch Angehörige des KdS Warschau durchgeführt. Vom 13.09.42 bis zum 03.10.42 wurden nur noch einmal, nämlich am 21.09.42 insgesamt 2.196 Juden nach Treblinka deportiert, darunter auch Angehörige des jüdischen Ordnungsdienstes und ihre Verwandten, da der Ordnungsdienst auf 380 Mann reduziert wurde. Danach wurden Juden vielfach im Pawiak-Gefängnis erschossen. Wieviele Juden vom 22.07.42 bis zum 03.10.42, dem Tag des offiziellen Endes der Ghettoräumung, nach Treblinka gebracht und ermordet wurden, steht nicht fest. Pro Waggon wurden etwa 150 bis 160 Personen hineingepfercht, viele überlebten schon den Transport nicht. Die vom Distriktsgouverneur Warschau am 15.10.42 erwähnten 400.000 Juden beinhalten auch die Räumungen der Ghettos Otwock, Siedlce, Sokolow u.a. Die im Stroop-Bericht von 310.322 Juden genannte Zahl ist vermutlich annähernd richtig. Eine Mindestzahl von 300.000 Opfern ergibt sich aus den Einwohnerzahlen des Ghettos vor und nach der Aktion, ebenso aus Unterlagen der Reichsbahn. (Brief Dr. Ganzenmüllers, Staatssekretär im Reichsverkehrsministerium, an SS-Obergruppenführer und Adjutant Heinrich Himmlers, Wolff, vom 28.07.42). Eine Statistik des Judenrates beziffert die Zahl der Toten durch Schußverletzungen Ende Juli auf 498 Personen, im August auf 2305 und im September auf 3158 Menschen. Im Urteil wurde die Deportation von 225.991 Menschen genannt, wobei die 2.305 in Warschau im August und die 3.158 in Warschau im September 1942 erschossenen Personen nicht enthalten sind.
Der Angeschuldigte Adam Hofmann war geständig, an mindestens 18 Tagen im Ghetto sogenannte Räumtrupps geführt zu haben, die Juden aus ihren Wohnungen holten und zum Umschlagplatz brachten. Zwar behauptete er, er habe erst zwei Wochen nach seiner Abkommandierung von der Ermordung der Juden erfahren, dies war jedoch nicht glaubhaft, da die Vernichtung der Juden in Treblinka schon in den ersten Tagen nach Beginn der Räumungen als allgemein bekannt galt. Bezüglich einzelner Straftaten wurde der Angeschuldigten Adam Hofmann außer Verfolgung gesetzt.
Die Anklage warf den Angeklagten Dr. Ludwig Hermann Karl Hahn, Helmut Friedrich Orf, Hans Bäcker und Herbert Bernhard Hundt folgendes vor:
Der Angeklagte Dr. Ludwig Hermann Karl Hahn war an der Planung und Vorbereitung der sogenannten Umsiedlung mit anderen SS-Führern beteiligt und damit für die Tötung von mindestens 300.000 Juden aus dem Warschauer Ghetto im Vernichtungslager Treblinka verantwortlich.
Die Angeschuldigten Helmut Friedrich Orf, Hans Bäcker und Herbert Bernhard Hundt waren insofern beteiligt, als sie die zum Abtransport bestimmten Juden auswählten, zum Verladeplatz trieben und in Einzelfällen schon im Warschauer Ghetto töteten. Der Beschuldigte Herbert Bernhard Hundt soll außerdem den Juden Abraham Zuckier durch einen Schuß in den Rücken getötet haben.
Der Angeklagte Dr. Ludwig Hermann Karl Hahn wurde am 31.03.42 in Warschau vom Chef des RSHA, Heydrich, besucht. Nach einem Essen im Offizierscasino wurde eine Besprechung in der KdS-Dienststelle angesetzt. Am nächsten Tag traf Heydrich den ihm Gästehaus der Sipo untergebrachten Blobel und besprach mit ihm die Leichenbeseitigung. Himmler kam am 18.04.42 nach Warschau. Der SSPF Warschau, Wigand, hielt ein Referat über die Lage im Warschauer Ghetto. In einer anschließenden Aussprache kam auch der Angeklagte Dr. Ludwig Hermann Karl Hahn zu Wort. Zum reibungslosen Ablauf der Deportationen sollten folgende, vom Angeklagten Dr. Ludwig Hermann Karl Hahn organisierte, Maßnahmen beitragen:
a) Verhaftung von Geiseln;
b) Freilassung des Leiters der jüdischen Ordnungsdienstes, Szerynski, der im Pawiak-Gefängnis einsaß, damit er den Einsatz der Ordnungsdienstmänner im Ghetto leiten konnte; Er hieß in dieser Funktion Bevollmächtigter für die Umsiedlung.
c) Vorbereitung der Dienststelle KdS Warschau organisatorisch und personell auf die Räumung, dabei Aufbau einer Befehlsstelle im Ghetto, die den jüdischen Ordnungsdienst überwachte, sowie Bildung des Ghettokommandos aus KdS-Angehörigen, das die Ghettotore kontrollierte und nach versteckten Juden suchte;
d) Beaufsichtigung der KdS-Angehörigen während der Ghettoräumung;
Außerdem Unterstützung folgender Maßnahmen:
a) Hinzuziehung des Lubliner Kommandos;
b) Errichtung de Werterfaßungsstelle (Initiative durch den SSPF Warschau);
c) Teilnahme an Besprechung unter Leitung des SSPF von Sammern-Frankenegg am 20.07.42, wobei der Ablauf der Räumung besprochen wurde;
d) Teilnahme an Besprechungen des SSPF Warschau mit Höfle über den Einsatz des Lubliner Kommandos.
Der Angeklagte Hans Bäcker überprüfte die Arbeitsausweise der Juden und die deutschen Betriebe im Ghetto, kontrollierte die Ghettotore und versuchte Schmuggel zu unterbinden. Vermutlich finanzierte er seinen aufwendigen Lebensstil durch seine Bestechlichkeit. Vorgeworfen wurde ihm:
1) seine Beteiligung an Selektionen auf dem Firmengelände der Firma Karl Georg Schulz in der Lezno Straße 76-78;
2) die Führung eines Räumtrupps im Warschauer Ghetto;
3) Erschießung von drei Personen - einem Kleinkind, seiner Mutter und eine Frau - während der Ghettoräumung;
Der Angeklagte Helmut Friedrich Orf war - auch laut eigenen Angaben - Führer von Räumtrupps, die die Juden zum Umschlagplatz trieben. Außerdem leitete er eine Blockade im Hof der Frima Oskar Schilling am 13. oder 14.08.42. Die jüdischen Arbeiter mußten ihre Arbeitskarten vorzeigen, ihre nächsten Angehörigen wurden zum gleichen Zeitpunkt aus den Wohnblocks zum Umschlagplatz gebracht. Ferner Erschießung eines 16-jährigen Mädchens. Dieses hatte eine Bescheinigung erhalten, im Ghetto bleiben zu dürfen. Vor Freude sprang sie auf der Straße herum und rempelte dabei den Angeklagten Helmut Friedrich Orf an, der sie durch Schüsse in den Hinterkopf tötete.
Der Angeklagte Herbert Bernhard Hundt soll Räumtrupps geführt haben, sich an Selektionen in deutschen Firmen im Warschauer Ghetto beteiligt haben und einen flüchtenden Juden erschossen haben. Außerdem Erschießung des Abraham Zuckier.
Verurteilt wurde der Angeklagte Dr. Ludwig Hermann Karl Hahn. Das Gericht kam zu der Auffassung, daß der KdS Warschau vor, während und nach der Ghettoräumung im Sommer 1942 für die politische Seite der Judenfrage verantwortlich war. Zu der Tat trug der Angeklagte Dr. Ludwig Hermann Karl Hahn folgendermaßen bei:
1. Teilnahme an Vorbesprechungen zur Organisation, vermutlich am 20. oder 21.07.42 im Palais Brühl des SSPF Warschau;
2. Überführung der Ghettoinsassen kleinerer Ghettos im Distrikt Warschau ins Warschauer Ghetto;
3. Erfassung von Juden nicht-polnischer Staatsangehöriger, die gegebenenfalls als Austauschjuden dienen sollten;
4. Verhaftung prominenter Juden - etwa 60 bis 80 Personen - als Geiseln;
5. Aufstellung des Ghettokommandos oder sog. Umsiedlungskommandos (möglicherweise auch unter Hilfe des Angeschuldigten Walter Willi Otto Stamm;
6. Entlassung des wegen Diebstahls/Unterschlagung eines oder mehrerer Pelze inhaftierten Chefs des jüdischen Ordnungsdienstes Szerynski (der als Kollaborateur später von der jüdischen Untergrundbewegung umgebracht wurde);
7. Einsatz von KdS-Angehörigen im Ghetto; Übergriffe wurden von ihm toleriert.
8. Übersendung von Berichten an das RSHA durch den Angeklagten Dr. Ludwig Hermann Karl Hahn;
9. Dienstreise nach Treblinka im Hochsommer 1942;
10. Wissen über die sogenannte Umsiedlung, die ein Euphemismus für die Ermordung war; Durch diese Tatbeiträge trug der Angeklagte Dr. Ludwig Hermann Karl Hahn zum Gelingen bei.
Der Angeklagte Hans Bäcker war Angehöriger des Ghettokommandos des KdS Warschau für die Dauer der Ghettoräumung. Bei der Räumung der Häuser wirkte er als Truppführer mit, außerdem nahm er an Blockaden und Selektionen - insbesondere der Firma K.G. Schulz ("Kleiner Schulz") - teil. Juden begleitete er zum Umschlagplatz, auch führte er Streifengänge im Ghetto durch. Die Tötung der drei Personen, der er in der Anklage beschuldigt worden war, konnte nicht festgestellt werden. Der Angeklagte Helmut Friedrich Orf war ebenfalls Angehöriger des Ghettokommandos des KdS Warschau und Räumtruppführer. Auch wirkte er an Blockaden und Selektionen mit, u.a. in der Firma Schulz ("Großer Schulz") und Firma Oskar Schilling. Die Erschießung eines Rabbinerehepaares, die Erschießung eines jüdischen Mädchen, das einen SS-Mann angerempelt hatte, die Erschießung des Rabbiners Blumenfeld, die Erschießung einer unbekannten Frau und eines unbekannten Mannes konnten nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden.
Der Angeklagte Herbert Bernhard Hundt war an der sogenannten Aussiedlung angeblich als Angehöriger des Ghettokommandos beteiligt. Die Führung von Räumtrupps, Selektionen, Erschießungen und andere Teilnahme an der Räumung konnten ihm nicht nachgewiesen werden.
Ein Antrag auf Außerverfolgungsetzung der Staatsanwaltschaft bezüglich Taten der Angeklagten Helmut Friedrich Orf und Hans Bäcker war bis 31.12.75 nicht entschieden worden; in den Akten findet sich kein Beschluß des Gerichts.
Vorsitzender Richter:Gerkan, Dr. von; Ehrhardt; Schenck (04.07.75; 29.08.75); Sarstedt, Prof. Dr. (11.01.77)
Staatsanwalt:Buhk (Anklageschrift vom 14.09.73, 04.07.75; 29.08.75); Heldenberg (11.01.77)
Alte Aktenzeichen staatsanw. Ermittlungsverfahren:Staatsanwaltschaft Hamburg 147 Js 16/69, abgetrennt aus 141 Js 192/60.- Parallelverfahren: Hamburg 141 Js 192/60; Dortmund 45 Js 16/62; Bielefeld 5 Ks 1/64; Dortmund 10 Ks 1/53; Wien 27c Vr 852/62.
Alte Aktenzeichen Eröffnung Hauptverfahren:50) 16/74; (56) 2/69 (LG Hamburg); 5 StR 252-253/76 (BGH).
Former reference codes:213-12_0077
Angeklagte / Beklagte:Hahn, Ludwig Hermann Karl, Dr., geb. am 23.01.1908 in Eitzen/Kreis Uelzen, gest. am 10.11.1986 in Ammersbek, Kommandeur der Sipo und des SD in Warschau, SS-Obersturmbannführer; Oberregierungsrat
Stamm, Walter Willi Otto, geb. am 25.11.1904 in Braunschweig, gest. am 07.11.1970 in Berlin-Charlottenburg, Leiter Abt. IV (Gestapo) bei KdS Warschau, SS-Hauptsturmführer, Kriminalrat
Böhm, Johannes Alfred, geb. am 17.02.1912 in Dresden, Leiter Referat IV B bei KdS Warschau, SS-Obersturmführer, Kriminalkommissar
Hofmann, Adam, geb. am 06.10.1923 in München, Angeh. KdS Warschau, SS-Hauptscharführer
Orf, Helmut Friedrich, geb. am 01.05.1916 in Schleusingen/Thüringen, Angeh. KdS Warschau, Ghettokdo. Räumtruppführer, SS-Oberscharführer, Kriminalassistentanwärter
Bäcker, Hans, geb. am 04.08.1913 in München, zwischen 12. und 14.03.1980 in München verstorben, Angehöriger Ghettokommando; Angeh. KdS Warschau, SS-Oberscharführer, Kriminalassistent
Knoll, Walter Erich Otto, geb. am 23.09.1897 in Reppen über Oschatz, bei/Frankfurt an der Oder, Angeh. KdS Warschau
Boguth, Johannes, geb. am 16.07.1906 in Beuthen, Angeh. KdS Warschau
Hundt, Herbert Bernhard, geb. am 12.11.1912 in Breslau, Angehöriger des Ghettokommandos; Räumtruppführer, SS-Oberscharführer, Kriminalassistent
Geipel, Ernst, geb. am 27.11.1893 in Dresden, verstorben, Leiter Werterfassungsstelle Warschauer Ghetto, SS-Hauptsturmführer
Scherbel, Kurt, Dr. med., geb. am 28.01.1912 in Kronach, SS-Hauptsturmführer
Brandt, Karl Georg, geb. am 05.11.1898 in Karlsmarkt/Schlesien, gest. am 16.02.1945 bei Posen, Leiter Judenreferat bei KdS Warschau, SS-Untersturmführer
Witossek, Walter, geb. am 03.02.1901 in Dresden
Hahn, Erich, geb. am 26.06.1911 in Templin, gefallen
Date of birth:10/6/1923
 

Usage

End of term of protection:12/31/2026
Permission required:Keine
Physical Usability:Uneingeschränkt
Accessibility:Öffentlich
 

URL for this unit of description

URL:https://recherche.staatsarchiv.hamburg.de/ScopeQuery5.2/detail.aspx?Id=1317346
 

Social Media

Share
 
Home|Login|de en fr
Online queries – Staatsarchiv Hamburg