213-12__ Hahn, Ludwig Hermann Karl, Dr. iur., u.a., wegen Befehl und Weitergabe zur Erschießung von mindestens 2000 polnischen Zivilpersonen während des Warschauer Aufstandes von Anfang August bis Ende September 1944 durch die Sicherheitspolizei im Polizeiviertel (KdS Warschau) (Staatsanwaltschaft

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Title:Hahn, Ludwig Hermann Karl, Dr. iur., u.a., wegen Befehl und Weitergabe zur Erschießung von mindestens 2000 polnischen Zivilpersonen während des Warschauer Aufstandes von Anfang August bis Ende September 1944 durch die Sicherheitspolizei im Polizeiviertel (KdS Warschau) (Staatsanwaltschaft Hamburg 147 Js 22/69, abgetrennt aus 141 Js 192/60)
Laufzeit:(1944) 1960-1977
Contains also:Wichtige Zeugen: Bach-Zelewski, Erich, von dem; Geibel, Paul Otto; Recke, Leo, von der.
Enthält u.a.: Umfang / Inhalt: 154 Bde. Hauptakten (Bde. 1- 129 identisch mit 141 Js 192/60), Bd. 130 - 154: Bl. 24753 - 28679; 13 Ordner Aussagen Beschuldigte, KdS-Angehörige, Zeugen, Stichwortverzeichnisse; 32 Ordner BDC-Unterlagen, Dok., Pläne, Zeichnungen, Aufenthaltsermittlungen, Fotos Tatort und Beschuldigte, Parallelverfahren, Vernehmungsprotokolle; 49 Ordner Zeugenprotokolle (Unterlagen des U-Richters); Akte 137 Bs 41/59 Amtsgericht Hamburg gegen den Besch. zu 1) (Privatklage wegen Beleidigung): (32 Bl.).-
Straftatbestand: Das Oberkommando der polnischen Heimatarmee (Armia Krajowa, AK) erfuhr, daß die Russen bei der Besetzung Ostpolens die Führer der AK entweder erschossen oder inhaftiert und die Einheiten aufgelöst hatten. Als Ende Juli 1944 deutlich wurde, daß die Rote Armee Warschau nicht befreien würde, sondern vielmehr östlich an Warschau vorbei den Panzerangriff fortsetzen würde, beschloß die AK, Warschau selbst zu befreien. Die polnische Exilregierung in London unterstützte den Plan. Am 01.08.1944 begann der Warschauer Aufstand. Allerdings gelang es der AK nicht, die wichtigsten deutschen Stützpunkte zu besetzen. Nach einem zwei Monate dauernden Häuserkampf in ganz Warschau kapitulierte der General der AK, Bor-Komorowski am 02.10.1944.
Die Dienststellen des KdS, des KdO und SSPF befanden sich im sogenannten Polizeiviertel von Warschau. Die Dienststelle des KdS Warschau hatte etwa 400 Angehörige. In der Nähe des Gebäudes des KdS in der Aleja Szucha - deutsche Bezeichnung: Straße der Polizei - befand sich in der Aleja Ujazdowska das Gebäude der Kadettenanstalt, das für Werkstätten, Waffenmeisterei, Wirtschaftsräume und Fahrbereitschaft des KdS genutzt wurde. Der südliche Gebäudeteil war durch Bombeneinwirkung 1939 stark beschädigt.
Am 01.08.1944 um 17.00 Uhr begann der Warschauer Aufstand im Polizeiviertel mit einem Granateneinschlag vor dem Gebäude des KdS. Die Aufständischen, die als Erkennungszeichen rot-weiße Armbinden trugen, besetzten das Kasino des KdS. Noch am Abend mußte das Kasino von den polnischen Aufständischen aufgegeben werden. Die deutschen Verbände - Dienststelle SSPF, Stäbe von KdO und KdSch, SS-Kavallerie-Ausbildungs- und Ersatzabteilung, SS- Panzer-Grenadier-Ersatz-Bataillon, Panzer-Kompanie der SS-Division Wiking, Brigade Dirlewanger, ferner dem KdS unterstellte Ukrainer-, Kosaken-, und Kaukasierkompanie sowie Teile des weißruthenischen Bataillons Nr. 13 und eine Kompanie Volksdeutsche aus Konitz - verteidigten die Dienst- und Nebengebäude der Polizei und kamen im Polizeiviertel zum Einsatz. Der ranghöchste SS-Offizier war der KdO Warschau, Geibel.
Der Beschuldigte Dr. Ludwig Hermann Karl Hahn behauptete, daß dieser die alleinige Befehlsgewalt auch über die Sicherheitspolizei übernommen habe, dies wiederum wurde von dem in Polen inhaftierten, 1966 durch Selbstmord verstorbenen Geibel bestritten . Es steht aber auch fest, daß der KdS Warschau, der Beschuldigte Dr. Ludwig Hermann Karl Hahn, Befehle erteilte. Der RFSS Himmler sandte dem KdO Warschau ein Telegramm mit dem Text "Vernichten Sie Zehntausende". (Die Vernichtungsabsicht wird auch von Himmler in seiner Rede vor Wehrkreisbefehlshabern vom 21.09.1944 erwähnt; ebenso bestätigte der Chef der Bandenbekämpfungsverbände, SS-Obergruppenführer von dem Bach-Zelewski, der ab. 05.08.1944 in Warschau eingesetzt war, daß Himmler einen generellen Befehl zur Vernichtung Warschaus ausgesprochen habe.) Der KdS reagierte auf den Aufstand mit Erschießungen von mehreren tausend polnischen Zivilisten. Wann genau die Erschießungen begannen ist unbekannt, frühestens am 02.08.1944, spätestens am 03.08.1944. Die Opfer wurden in den Innenhöfen der Gestapo-Gebäude gesammelt. Sie stammten aus den Häusern in der Umgebung, wo sich anfangs Aufständische aufgehalten und auf Deutsche geschossen hatten. Die Häuser und Straßenzüge wurden niedergebrannt, um freies Schußfeld zu haben und die Festsetzung von Aufständischen zu vermeiden. Entdeckte Aufständische wurden an Ort und Stelle erschossen, wohingegen die Zivilisten für Massenerschießungen gesammelt wurden. Die Zivilisten wurden von KdS-Angehörigen überwacht. Wertsachen wurden abgenommen, teilweise wurden die Leute verhört. Ab Mitte August wurden Handwerker bestimmter Berufsgruppen wie Maurer oder Metzger ausgesondert und als Hilfskräfte auf der KdS-Dienststelle beschäftigt.
Die Opfer wurden in Gruppen von 30 bis 100 Personen zum Innenhof der Kadettenanstalt geführt, wo sie sich ausziehen mußten und ihre Kleider auf einen Haufen legen mußten. Im Hochparterre der Ruine mußten sich je vier bis sieben Opfer auf Eisenträger legen und wurden von hinten durch Genickschüsse getötet, wobei sich spätere Gruppen auf die nackten Leichen der vor ihnen Erschossenen legen mußten. Unter den Opfern befanden sich schwangere Frauen, Kinder, Greise und Behinderte. Die Erschießungen wurden von Angehörigen des KdS durchgeführt. Zu den Schützen des Erschießungskommandos gehörten die Beschuldigten zu Konrad Schweitzer und Heinrich Klaustermeyer. Die Leichen der Opfer wurden auf Rosten über dem geöffneten Zentralheinzungskanal in den Ruinen der Kadettenanstalt übereinandergeschichtet und mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen und verbrannt. Die Rückstände der Verbrennungen fielen in den Zentralheinzungskanal. Die Verbrennungsarbeiten führten 15 Häftlinge des nahegelegenen Arbeitserziehungslagers (AEL) Litewskastraße 14 durch, die später von den Beschuldigten Konrad Schweitzer und Heinrich Klaustermeyer erschossen wurden. Das Wissen über Erschießungen war im Polizeiviertel weitverbreitet. Über die Zahl der Opfer herrscht keine Gewißheit, die Zahlen schwanken zwischen 1000 und mindestens 2000 oder auch 5000 Personen, wobei die meisten Personen zwischen dem 05.08. und dem 10.08. erschossen wurden. Aus der geborgenen Asche (5.578,5 kg) wurde anhand des Durchschnittsgewichts von 2,25 Kilogramm Verbrennungsrückständen pro Leiche die Zahl der Opfer auf über 2000 geschätzt. Ende August oder Anfang September 1944 setzte sich die Sicherheitspolizei aus Warschau nach Sochaczew und Lissa ab.
Die Beschuldigten Dr. Ludwig Hermann Karl Hahn und Walter Willi Otto Stamm, denen die Anordnung der Hinrichtungen und organisatorische Maßnahmen und Weitergabe von Exekutionsbefehlen zur Last gelegt wurden, stritten sogar die Kenntnis von den Erschießungen und Verbrennungen ab, die in ca. 200 m Entfernung von ihrem Dienstgebäude stattfanden.
Vorsitzender Richter:Heppe, von (zu Schweitzer); Wagner (zu Hahn)
Staatsanwalt:Wegerich
Alte Aktenzeichen staatsanw. Ermittlungsverfahren:Staatsanwaltschaft Hamburg 147 Js 22/69, abgetrennt aus 141 Js 192/60.-
Former reference codes:213-12_0071
Angeklagte / Beklagte:Hahn, Ludwig Hermann Karl, Dr. iur., geb. am 23.01.1908, in Eitzen/Kreis Uelzen, gest. am 10.11.1986 in Ammersbek, KdS Warschau 01.08.1941 bis Ende November 1944, SS-Standartenführer; Regierungsdirektor
Stamm, Walter Willi Otto, geb. am 25.11.1904, in Braunschweig, gest. am 07.11.1970 in Berlin-Charlottenburg, Leiter Abt. IV beim KdS Warschau, Kriminalrat
Schweitzer, Konrad, geb. am 22.02.1908, in Bad Wimpfen/Hessen, gest. am 20.04.1987 in Bad Friedrichshall, Angeh. Ref. II C (Bau) beim KdS Warschau, SS-Rottenführer
Klaustermeyer, Heinrich, geb. am 22.02.1914, in Bünde/Kreis Herford, Angeh. KdS Warschau
Geibel, Paul Otto, geb. am 10.06.1898, in Dortmund, gest. am Oktober 1966 in Polen (Selbstmord), SSPF Warschau 44-45; KdO Warschau 01.08.-17.08.44, SS-Oberführer, Oberst der Gendarmerie
Date of birth:2/22/1914
 

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End of term of protection:12/31/2007
Permission required:Keine
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