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213-12__ Schirbaum, Gottfried u.a., wegen Euthanasie-Verbrechen in Hamburger Einrichtungen (Staatsanwaltschaft Hamburg 147 Js 58/67), 1940-1975 (Serie)
Ref. code: | 213-12__ |
Title: | Schirbaum, Gottfried u.a., wegen Euthanasie-Verbrechen in Hamburger Einrichtungen (Staatsanwaltschaft Hamburg 147 Js 58/67) |
Laufzeit: | (1940-1947) 1965-1975 |
Contains also: | Fortsetzung Presse: "Hamburger Pastor unter Mordanklage" in: BILD, 28.07.1973, "Euthanasie in Alsterdorf: Pastor unter Mordanklage" in: Die Welt, 28.07.1973 hierzu verbunden: 203 AR-Z 401/67 ./. Jobst; abgetrennte Verfahren: 147 Js 8/72 = 117 AR 282/74, 147 Js 22/73 = AR 421/74, beide Verfahren StA Hamburg. Der ermittelnde Staatsanwalt Dr. K. suchte am 25.06.1969 die Alsterdorfer Anstalten auf, um festzustellen, ob tatsächlich, wie der Direktor der Alsterdorfer Anstalten bis 1968, Pastor J. Jensen am 24.04.1968 gegenüber der Sonderkommission behauptet hatte, "weitere Unterlagen über die im Jahre 1941 in das Allgemeine Krankenhaus Ochsenzoll verlegten 71 Pfleglinge hier nicht vorhanden" seien. Der neue Direktor der Alsterdorfer Anstalten, Pastor H.-G. Schmidt bot dem Staatsanwalt an, selbst die Verwaltungsabteilung zu besuchen, um sich zu informieren. Daraufhin trat der Verwaltungsleiter und stellvertretende Direktor Herbert L. in Erscheinung, der seit 1939 in der Verwaltung der AA beschäftigt war. Dieser äußerte sein Missfallen über das Ermittlungsverfahren und versuchte ihn von der Suche nach den Akten mit der Behauptung abzubringen, alles sei 1943 verbrannt, der Staatsanwalt solle schreiben "durch Feindeinwirkung verloren gegangen". Mit Hilfe einer stellvertretenden Sachbearbeiterin fand der Staatsanwalt 1. den Ordner "Zöglings-Verlegungen 1941 bis 1947". 2. Karteikarten aller Patienten, darunter auch der 71 Pfleglinge von 1941. 3. Die Aufnahmebücher, auch darin enthalten die 71 Pfleglinge. 4. Die Ausgangsbücher, auch darin die 71 Pfleglinge erwähnt. In dem Ordner "Zöglings- Verlegungen" (siehe 1.) fand sich eine Abschrift des Schreibens an die Sonderkommission, in dem genau die Existenz der fraglichen Unterlagen verneint wurde. Es stellte sich heraus, dass das Schreiben des Pastors Jensen vom 24.04.1968 von Herrn L. verfasst wurde. Gegen Herrn L. wurde ein Verfahren wegen Verdachts der Begünstigung eingeleitet, gegen Pastor Jensen bestand kein Verdacht, auf seinen Antrag wurde nach Kriegsende ein kirchliches Disziplinarverfahren gegen den Beschuldigten Lensch, Friedrich Karl veranlasst. Außerdem hatte er bereits Beweismaterial an die Staatsanwaltschaft Hamburg gegeben. Herr L. dagegen behauptete, eine Sachbearbeiterin habe ihm die Auskünfte erteilt. Die Sachbearbeiterin Frau Schl. räumte ein, das Schreiben verfasst und den Durchschlag abgelegt zu haben. Den einschlägigen Ordner habe sie nicht durchgesehen, andere Unterlagen seien ihr nicht als mögliches Material eingefallen. Sie gab zu, dass sie gründlicher hätte arbeiten müssen. Damit wurde sie gleichfalls der Begünstigung verdächtigt. Mit letzter Sicherheit war den beiden jedoch nicht nachzuweisen, dass sie sich der Begünstigung schuldig gemacht hatten, Einstellung mangels Beweises am 21.04.1970, "Unter schwerem Verdacht" in: BILD, 14.12.1970; "Hamburger Pastor unter Mordanklage" in: BILD, 28.07.1973, "Euthanasie in Alsterdorf: Pastor unter Mordanklage" in: Die Welt, 28.07.1973. |
| Enthält u.a.: Umfang / Inhalt: 51 Bde Hauptakten (8103 Bl.), mit Fotos Euthanasieopfer/Tatorte in Polen in Bd. 25, 36, 37.- Straftatbestand: Die Beschuldigten, der Leiter der Hamburger Alsterdorfer Anstalten und der Leiter der Allgemeinen Abteilung der Gesundheitsverwaltung in Hamburg, sollen im Rah-men der Meldebogenaktion am 28.7.1941 71 Geisteskranke ausgewählt und zur späteren Ermordung verlegt haben. Ferner soll von ihnen der Abtransport von 430 Kranken in verschiedene Anstalten eingeleitet worden sein, von denen 348 mit Sicherheit, 33 wahrscheinlich getötet wurden. Die Anklage warf ihnen Tatbeiträge zu den drei Mordtaten 1) Kindertötungsaktion, 2) der Aktion zur Tötung von Anstaltspfleglingen durch Vergasung im Rahmen der T4 sowie 3) die "wilde" Euthanasie durch Entzug von Nahrung und Vergiftung durch Medikamente vor. Beide Angeschuldigte sollen die Tötungsaktion in Kenntnis des Mordes an den Pfleglingen unterstützt haben. Der Angeschuldigte Lensch, Friedrich Karl wirkte laut Anklage an der Ermordung der am 07.08.1943 von ihm abtransportierten Pfleglinge in den Anstalten Kalmenhof, Eichberg und Hadamar als Mittäter mit. Dagegen waren die Angeschuldigten Lensch, Friedrich Karl und 3) Gehilfen bei der Ermordung in Tiegenhof (Angeschuldigter Lensch, Friedrich Karl und Langenhorn, Bernburg, Königslutter, Tiegenhof, Meseritz-Obrawalde, Hadamar (Angeschuldigter Struve, Kurt Gerhard). Der Angeschuldigte Lensch, Friedrich Karl veranlasste selbstständig und ohne Aufforderung der Gesundheitsbehörde den Abtransport aller nicht arbeitsfähigen Pfleglinge aus den Alsterdorfer Anstalten nach Kalmenhof und Eichberg, um die Alsterdorfer Anstalten im Sinne des NS auch wirtschaftlich nutzbar zu machen. Mit ihrer Selektion traf er selbst die Entscheidung über Leben und Tod. Die Vergasungen waren ihm bekannt, da er sich bei Pastor von Bodelschwingh in den Bethelschen Anstalten informiert hatte, der ihm mitteilte, dass in den Anstalten Süddeutschlands bereits angeblich 60.000 Menschen umgebracht worden waren. Bezüglich der Verbringung nach Tiegenhof sowie der Tatbeiträge des Angeklagten Struve, Kurt Gerhard) ist anzunehmen, dass nicht eine eigene Tat, sondern eine fremde gefördert werden sollte. Das Gericht stellte fest, dass die 71 Alsterdorfer Pfleglinge, die aufgrund der Meldebogenaktion ausgesucht wurden, und nach Langenhorn verlegt wurden, in keine der T4 Anstalten verlegt wurden. 66 von ihnen (4 waren gestorben, ein Schicksal ist unbekannt) wurden in die Gauheilanstalt Tiegenhof bei Gnesen verlegt, wo trotz des Stopps der T4 Aktion das Morden fortdauerte. 62 von ihnen fanden in den nächsten 19 Monaten den Tod durch Nahrungsentzug oder Medikamentenvergiftung. Ende Juli Anfang August wurden große Teile Hamburgs von alliierten Bomben zerstört. 60% des Anstaltsgeländes waren zerstört, etwa 750 Pfleglinge dadurch obdachlos geworden. |
| Der Hamburger Gesundheitssenator Ofterdinger (verstorben), der von dem Angeklagten Lensch, Friedrich Karl um Hilfe gebeten wurde, sagte diese zu. Ohne Vorankündigung erschienen am 07.08.1943 Busse, die 430 Pfleglinge abtransportierten und in die Anstalten Mainkofen, Idstein-Kalmenhof, Eichberg und Wien brachten. Das Gericht setzte den Angeschuldigten Lensch, Friedrich Karl außer Verfolgung, da die Mitwirkung an der Meldebogenaktion nicht als Mordbeihilfe zu werten war. Die Fragebögen seien, so das Gericht, für die spätere Tötung der 62 Pfleglinge in Tiegenhof nicht ursächlich gewesen (!), insbesondere deshalb weil für mindestens einen der Pfleglinge nie ein Meldebogen ausgefüllt, für 10 andere nie abgeschickt wurde. Bezüglich der Aktion am 07.08.1943 war es die Absicht des Angeschuldigten Lensch, Friedrich Karl gewesen, Hilfe zu erwirken, nicht die Pfleglinge zu liquidieren. Er versuchte, den Abtransport zu verhindern und bat Ofterdinger um eine Gegenorder. Dem Angeklagten Lensch, Friedrich Karl war, so auch das Gericht, wohl bewusst, dass seine Pfleglinge in den Tod geschickt wurden, Sicherheit besteht aber diesbezüglich nicht, da der Angeschuldigte davon ausging, die Euthanasieaktion sei seit August 1941 erledigt. Eigene niedere Beweggründe lagen nicht vor, bzgl. Beihilfe besteht kein hinreichender Tatverdacht. Gegen den Beschuldigten Struve, Kurt Gerhard) wurde ein Teilkomplex - Tötung von 62 Pfleglingen in Tiegenhof von Sommer 1940 bis Herbst 1941 und Tötung von 81 Pfleglingen in Königslutter von Sommer 1940 bis Sommer 1941 - herausgelöst und nicht in der Hauptverhandlung behandelt. Es konnte laut Gericht nicht davon ausgegangen werden, dass diese Verlegungen auf Grund der Meldebogenaktion veranlasst wurden. Die Beschuldigten Schirbaum, Gottfried, und 4) wurden trotz erheblichen Tatverdachts außer Verfolgung gesetzt. Der Angeschuldigte Schirbaum, Gottfried, soll von Dezember 1940 und am 07.08.1943, der Beschuldigte Schirbaum, Gottfried, vom 27.07. bis 13.12.1940 Beihilfe zum Mord an Pfleglingen der Alsterdorfer Anstalten geleistet haben. Die Beweislage ließ aber Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen des Gehilfevorsatzes bestehen, so dass der Tatverdacht für eine Anklageerhebung und ein Hauptverfahren nicht ausreichend war. |
Alte Aktenzeichen staatsanw. Ermittlungsverfahren: | 147 Js 58/67, auch 147 Js 27/69 (Staatsanwaltschaft Hamburg).- Parallelverfahren: Hamburg 147 Js 8/72; Hamburg 147 Js 22/73, Frankfurt Js 17/59, Frankfurt Js 20/61, München I 112 Ks 2/64, Berlin 11 Ks 8/46. |
Alte Aktenzeichen Eröffnung Hauptverfahren: | (53) 4/70 (Landgericht Hamburg). |
Former reference codes: | 213-12_13 |
| 213-12_00013 |
| 213-12_0013 |
Angeklagte / Beklagte: | Schirbaum, Gottfried, Dr., geb. am 30.10.1911 in Ishon/Korea |
| Lensch, Friedrich Karl, geb. am 10.08.1898 in Neu Galmsbüll/Kreis Südtondern, gest. am 05.01.1976, Pastor |
| Struve, Kurt Gerhard, Dr., geb. am 11.07.1902 in Hamburg, Leiter der Allg. Abt. |
| Kreyenberg, Gerhard Georg, geb. am 30.06.1899 in Hamburg, Stellvertretender Direktor (Leitender Oberarzt) |
Date of birth: | 10/30/1911 |
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Usage |
End of term of protection: | 12/31/2005 |
Permission required: | Keine |
Physical Usability: | Uneingeschränkt |
Accessibility: | Öffentlich |
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URL for this unit of description |
URL: | https://recherche.staatsarchiv.hamburg.de/ScopeQuery5.2/detail.aspx?Id=1191619 |
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