213-12__ Eickhoff, Wilhelm Heinrich Friedrich, u.a., wegen Mitwirkung an Tötung von Juden, die aus Polen zum Zwecke des Arbeitseinsatzes in ein der Nachschubkommandantur Rußland-Mitte angeschlossenes ZAL Bobruisk gebracht wurden, darunter Massenerschießung von kranken Juden und jüdischen Zwangsarb

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Title:Eickhoff, Wilhelm Heinrich Friedrich, u.a., wegen Mitwirkung an Tötung von Juden, die aus Polen zum Zwecke des Arbeitseinsatzes in ein der Nachschubkommandantur Rußland-Mitte angeschlossenes ZAL Bobruisk gebracht wurden, darunter Massenerschießung von kranken Juden und jüdischen Zwangsarbeitern, die sich zur Rückkehr nach Warschau gemeldet hatten; Erschießung von mindestens 50 Juden im Waldlager bei Bobruisk (Staatsanwaltschaft Hamburg 147 Js 22/70)
Laufzeit:(1942-1943) 1970-1976
Contains also:Presseberichterstattung: "Bei 'Mord' immer lebenslänglich. Bundesgerichtshof: Keine Milde für den ehemaligen SS-Führer Wilhelm Eickhoff." in: Hamburger Abendlbatt 31.03.1978; "Lebenslang für Eickhoff" in: BILD, 31.03.1978.
Enthält u.a.: Umfang/Inhalt: 22 Bde. Hauptakten (4081 Bl.); Kostenhefte; Zustellungsurkunden; Aufzeichnungen in HV; Schlußplädoyer StAnw., Sonderheft Vernehmungen; Kartenmaterial; Protokoll HV; Lichtbildmappen (Täterfotos, Foto Waldlager Bobruisk); 3 Bde. Gnadengesuche (463 Bl.); Vollstreckungshefte; 3 Bde. Vorvernehmungen v. Zeugen; Parallelverfahren (holl. Verfahren gegen Loyen); Dubletten; 5 Bde. Handakten (820 Bl.); Bd. 4a Urteilsausfertigg.; 9 Bde. Durchschläge; 33 Ordner Zeugenaussagen, Aufenthaltserm..; BDC-Unterlagen; Dok..- Straftatbestand: Das Waldlager Bobruisk gehörte zur Nachschubkommandantur der Waffen-SS Rußland-Mitte und bestand etwa von Juni 1942 bis September 1943. Im Lager befanden sich baufällige Holzbaracken und Pferdeställe. Kommandeur der Nachschubkommandantur war zunächst der SS-Standartenführer Martin (SS-Oberführer Georg Martin, zuletzt Polizeidirektor in Karlsbad, geb. 26.09.1897 in Passau, Selbstmord am 07.05.1945 in Karlsbad zusammen mit Ehefrau, drei Kindern und Schwiegermutter), ab Juni 1943 der Beschuldigte Rudolf Ernst Max Pannier. Die Arbeitsabteilung, die mit straffällig gewordenen SS-Leuten besetzt war, wurde von dem Angeklagten Josef Aigner stellvertretend geleitet. Nach dem Eintreffen der Juden übernahmen diese die Arbeiten der SS-Männer, die SS-Leute wurden Bewacher. Am 29.05.1942 wurden jüdische Männer und wegen Schmuggels festgenommene Jugendliche von 12 bis 17 Jahren aus dem Warschauer Ghetto nach Bobruisk deportiert. 960 kamen im Waldlager Bobruisk an. Ein zweiter Transport mit etwa 500 Juden kam Ende Juli oder Anfang August 1942 aus Warschau kommend in Bobruisk an. Die Angehörigen des ersten Transportes waren bereits stark dezimiert und körperlich stark mitgenommen aufgrund von Hunger und allgemeinen Entbehrungen. Von ca 1400 bis 1500 Juden aus Warschau, die die Lagerbelegschaft Bobruisk stellten, lebten im September 1943 bei Auflösung des Lagers nur noch 91. 41 hatten im Waldlager überlebt, 50 andere im Truppenwirtschaftslager Bobruisk, wo bessere Bedingungen herrschten. Die Todesfälle im Waldlager Bobruisk waren auf Erschießungen, Unterernährung und Entbehrungen zurückzuführen. Lagerführer war der Beschuldigte Waldemar Wilhelm zusammen mit einem SS-Hauptsturmführer Söldner, später nur noch der Beschuldigte Wilhelm. Ihnen oblag die Oberaufsicht und Inspektionen. Interner Führer war der Angeklagte Wilhelm Heinrich Friedrich Eickhoff, der in der 6-10-köpfigen SS-Lagermannschaft den höchsten Rang hatte. Der Beschuldigte Eickhoff befahl die Entfernung arbeitsunfähiger aus dem Lager. Er führte Inspektionen der Unterkünfte durch und ließ sich den Krankenstand melden. Schwache und kranke Häftlinge wurden in regelmäßigen Abständen selektiert und in einem Wald erschossen. Schon bald nach der Ankunft waren die Juden gezwungen gewesen, dort Massengräber auszuheben. Die Kranken wurden auf Karren, teils mit Toten zusammen, zum Exekutionsort gebracht. Die Opfer mußten sich in die mit anderen Toten gefüllte Grube legen und wurden erschossen. Im Winter wurde Schnee, im Sommer Sand und Chlorkalk auf die Leichen geworfen.
Voruntersuchung:
Beschuldigter Kurt Adolf Klebeck:
1. Befehl zur Erschießung von 200 Juden im Juni 1942, die sich auf seine Frage hin, wer nach Warschau zurückkehren wolle, gemeldet hatten.
2. Erschießung von 80 kranken Juden im Winter 1942/1943.
Beschuldigter Waldemar Wilhelm:
Leitung eines Erschießungskommandos im Sommer 1942 an einer Sandgrube, wobei mindestens 50 Juden getötet wurden.
Beschuldigter Josef Aigner:
Leitung einer Erschießung und vorher begründende Ansprache für die Erschießung an die 50 Juden.
Beschuldigter Wilhelm Heinrich Friedrich Eickhoff:
1. Regelmäßige Erschießung von Juden in Gruppen von 5-10 Mann von Juni 1942 bis Frühjahr 1943.
2. Erschießung von 18 Juden in einer Grube im Winter 1942/1943.
3. Erhängung von zwei jüdischen Brüdern, die zwei Hühner getötet hatten.
4. Versuchte Erhängung des Juden Lubieniecki wegen Kartoffeldiebstahl, wobei Lubieniecki gerettet werden konnte.
5. Erschießung eines Juden, der Kartoffeln gestohlen hatte.
6. Ertränkung von Juden in einem Wasserbassin.
Beschuldigter Adolf Nimczyk:
Beteiligung an Erschießungen von Juden.
Beschuldigter Rudolf Ernst Max Pannier:
Tolerieren der Erschießungen als Kommandeur der Nachschubkommandantur der Waffen-SS-Rußland-Mitte, der das Lager Bobruisk unterstand.
Beschuldigter Otto Schomacker:
1. Erschießung von Juden an einer Grube nahe dem Lager.
2. Erschießung zweier Juden vor Weihnachten 1942 unter Alkoholeinfluß.
Dem Beschuldigten Pannier konnte die Tat nicht mit ausreichender Sicherheit bewiesen werden, er war erst im Juni 1943 für die Kommandantur des Waldlagers verantwortlich geworden. Jüdische Zeugen äußerten, daß es zu diesem Zeitpunkt keine Tötungen mehr gab. Der Beschuldigte Pannier hatte geäußert, ihm sei die Existenz des Waldlagers Bobruisk nicht bekannt gewesen. Der Beschuldigte Schomacker hatte angegeben, er habe von der Erschießung von Juden gehört und sei aus Neugier an die Sandgrube gegangen und habe die Erschießung unter Leitung des Beschuldigten Wilhelm beobachtet. Er bestätigte die Erschießungen von kranken Juden, will aber selbst an keiner Hinrichtung beteiligt gewesen sein. Er sei als Blockführer nur für Zählappelle verantwortlich gewesen; die Ertränkung von Juden hielt er für unwahrscheinlich. Zeugen hatten einem Blockführer des Blockes 3 vorgeworfen, kranke, schwache und arbeitsunfähige Juden zusammen mit dem Beschuldigten aus Hamburg 147 Js 16/73 und einem unbekannten Blockführer des zweiten Blocks selektiert und dann erschossen zu haben. Der Blockführer des Blockes 3 wurde mit Spitznamen "das Ohr" oder "halbes Ohr" genannt, weil er eine Verletzung am Ohr hatte. Der Beschuldigten Schomacker hatte zwar große und abstehende, aber unversehrte Ohren. Daher konnten ihm die Taten nicht mit zur Anklageerhebung ausreichender Sicherheit nachgewiesen werden.
Angeklagt wurden die Beschuldigten Klebeck, Aigner, Eickhoff und Nimczyk.
Dem Angeklagten Klebeck wurde (abweichend zur Voruntersuchung)
1. die Selektion und folgende Erschießung von mindestens 100 Juden im Juni 1942 sowie
2. der Befehl zur Erschießung von mindestens 25 kranken Juden im Winter 1942/1943 vorgeworfen.
Beschuldigter Aigner:
1. Erschießung von 100 Juden im Juni 1942.
2. Befehl zur Erschießung von mindestens 50 Juden, die Angehörige des zweiten Transports von Juden aus Warschau im August 1942 waren.
3. Befehl zur Erschießung von mindestens 60 Juden.
Beschuldigter Eickhoff:
1. Selektion und Teilnahme an regelmäßigen Erschießungen von Juni 1942 bis Frühjahr 1943.
2. Erschießung von mindestens 15 Juden - Angehörige eines Baukommandos - im Winter 1942/1943.
3. Erschießung eines Juden bei einem Appell im Juni 1942.
4. Erschießung von mindestens 25 erkrankten Juden im Winter 1942 unter Leitung des Beschuldigten Klebeck
5. Erschießung eines Juden, der Kartoffeln gestohlen hatte.
6. Erhängung zweier jüdischer Brüder, weil bei ihnen die Köpfe von zwei Hühnern gefunden wurden.
7. Versuchte Erhängung des Zeugen Lubieniecki.
8. Willkürliche Erhängung von jugendlichen Juden.
9. Tötung zweier Juden nach Fluchtversuch durch Aufhängen und Schläge.
10. Ertränkung von mindestens 2 Juden in einem Wasserbassin.
Beschuldigter Nimczyk: Freiwillige Erschießung von Juden und anschließende Aneignung von Geld der getöteteten Juden.
Der Beschuldigte Nimczyk wurde nur von einem Zeugen belastet, dessen Aussagen nicht zuverlässig genug waren, um die Anklage darauf zu gründen. Teils waren die Angaben des Zeugen (eines Elektrikers, der unter Nimczyk im Waldlager gearbeitet hatte) übertrieben, teils widersprüchlich.
Urteil: Der Beschuldigte Klebeck gab - unwiderlegbar - an, nur etwa vier Wochen der Nachschubkommandantur der Waffen-SS Rußland-Mitte im Frühsommer 1942 angehört zu haben; zu dieser Zeit habe das Judenlager noch nicht existiert. Von Zeugen konnte er nicht identifiziert werden. Der Angeklagte Klebeck wurde vermutlich mit dem Beschuldigten Wilhelm verwechselt. Indizien bewiesen, daß der Angeklagte Klebeck zumindest im Herbst 1942 wieder in Oranienburg eingesetzt war.
Zum Anklagepunkt 1. : Der Angeklagte Eickhoff gab zu, daß Erschießungen kranker Juden durchgeführt wurden; Befehl dazu habe er von Söldner erhalten. Im Laufe eines Jahres seien etwa 150 Juden erschossen worden. Die Selektionen habe ein jüdischer Sanitäter vorgenommen. Die Wachmannschaft habe die Erschießung vorgenommen; er will damit nichts zu tun gehabt haben. Er sei nur mitgegangen, um die ordnungsgemäße Durchführung zu überwachen. Das Schwurgericht gelangte zur Überzeugung, daß der Angeklagte Eickhoff auch selbst Erschießungen durchführte. Die Anklagepunkte 2 - 10. galten als nicht ausreichend bewiesen, weswegen der Angeklagte Eickhoff freigesprochen wurde. Angesichts des im Lager herrschenden Terrors konnte die Zuordnung einzelner Taten auf den Eickhoff nicht zweifelsfrei erfolgen; Zeugen konnten Eickhoff nicht sicher als Täter identifizieren, teils war nur ein Belastungszeuge vorhanden.
Der Angeklagte Aigner gab an, daß er vom Kommandeur Martin dreimal den Befehl erhalten hätte, Absperrpersonal für Judenerschießungen bereitzustellen. Bezüglich der Anklagepunkte 1. und 2. gegen ihn ließ sich nicht erweisen, daß er mit Angehörigen des Transportes redete oder die Juden gar bezüglich einer Rückkehrmöglichkeit nach Warschau täuschte. Möglicherweise hat auch beim zweiten Transport keine derartige Rede stattgefunden. Bezüglich dem Anklagepunkt 3. wurde festgestellt, daß der Angeklagte Aigner ein Erschießungskommando zusammenstellte und am Exekutionsort einsetzte. Ob er auch der Leiter der Erschießung zwischen Juli 1942 und Juni 1943, bei der zwischen 50 und 80 Juden nacheinander erschossen wurden, war nicht feststellbar.
Der Angeklagte Eickhoff wurde nicht zu lebenslänglicher Haft verurteilt, da ein "Schuldminderungsgrund wegen Verstrickung" vorliege, i.e. das totalitäre Regime. In der Revision wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Bundesverfassungsgericht hob das Urteil des BGH auf, da der Anspruch auf ein faires Verfahren gemäß Art. 2 I Grundgesetz verletzt worden war. Für die Revisionhauptverhandlung war kein Pflichtverteidiger für ihn bestellt worden.
Vorsitzender Richter:Gerkan, von (30.04.74); Bertram (24.04.75); Sarstedt (BGH); Zeidler, Dr. (BVG); Spiegel, Dr. (BGH)
Staatsanwalt:Fründt, Dr. (Anklage); Kuhlmann; Oberle (BGH); Wunder, Dr. (BGH)
Alte Aktenzeichen staatsanw. Ermittlungsverfahren:Staatsanwaltschaft Hamburg 147 Js 22/70, 1 OAR 605/75.- Parallelverfahren: Würzburg 1 Js 42/73; Hamburg 147 Js 16/73; Hamburg 147 Js 1/73; Hamburg 147 Js 21/73.
Angeklagte / Beklagte:Pannier, Rudolf Ernst Max, geb. am 10.07.1897 in Gera, Komm. d. Nachschubkomm. ab Juni 1943, Oberst der Polizei; SS-Standartenführer
Klebeck, Kurt Adolf, geb. am 06.03.1906 in Berlin, stellvertr.Leiter d. Judenlagers Bobruisk, SS-Obersturmführer
Aigner, Josef, geb. am 16.09.1908 in Kühnham/Niederbayern, Führer einer Arbeitsabtlg. Im ZAL Bobruisk, SS-Hauptscharführer, zl. SS-Obersturmführer
Eickhoff, Wilhelm Heinrich Friedrich, geb. am 12.03.1921 in Haddenhausen/Kreis Minden, gest. am 08.05.1991 in Minden, Lagerführer ZAL Bobruisk, SS-Unterscharführer
Nimczyk, Adolf, geb. am 25.07.1905 in Hamburg, SS-Unterscharführer
Schomacker, Otto, geb. am 05.04.1920 in Niewedde, Blockführer ZAL Bobruisk, SS-Rottenführer
Wilhelm, Waldemar, geb. am 30.01.1896 in Oberweißbach/Thüringen, stellvertr. Leiter des ZAL Bobruisk, SS-Obersturmführer
Date of birth:3/12/1921
 

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End of term of protection:12/31/2011
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