213-12__ Barschdorf, Gustav Adolf und Gruber, Felix, wegen Tötung einer Norwegerin durch schwerste Misshandlung bei einer 'verschärften Vernehmung' am 17.05.1942 (Staatsanwaltschaft Hamburg 147 Js 25/70), 1942-1977 (Serie)

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Title:Barschdorf, Gustav Adolf und Gruber, Felix, wegen Tötung einer Norwegerin durch schwerste Misshandlung bei einer 'verschärften Vernehmung' am 17.05.1942 (Staatsanwaltschaft Hamburg 147 Js 25/70)
Laufzeit:(1942) 1969-1977
Contains also:Enthält u.a.: Umfang/Inhalt: 11 Bde. Hauptakten (1854 Bl.); 4 Bde. Handakten (790 Bl.); Sonderbd. norweg. Dok., Sonderbd. Sanitätsoffiziers-Kriegslazarett; Sonderbd. Wiederaufnahmeantrag; Kostenmappe; Zustellungsheft; Mitteilungsheft (Dok. zu BdS Norwegen); Vollstreckungsheft; 3 Bde.+1 Bd. Anlagen Gnadengesuche.- Straftatbestand: Norwegen wurde am 09.04.1940 besetzt, Reichskommissar im besetzten Norwegen war Terboven. BdS Norwegen mit Dienstsitz Victoria Terrasse 7 in Oslo (früheres norwegisches Außenministerium) war SS-Oberführer Dr. Stahlecker bis 1940, sein Nachfolger bis Kriegsende SS-Oberführer Heinrich Fehlis (Selbstmord 1945).
Die Beschuldigten töteten während eines Verhörs am 17.05.1942 die Norwegerin Brynhild Stroem. Die Beschuldigten waren Angehörige der Abteilung IV Referat A 1 des BdS Norwegen.). Leiter der Abteilung IV (Gestapo) war im Jahr 1942 SS-Sturmbannführer Reinhard Patzschke. Der Leiter des Referats A 1 (Kommunismus) war Kriminaldirektor u. SS-Sturmbannführer Fritz Preiss (verstorben 21.08.1961). Die beiden Beschuldigten waren 1942 Kriminaloberassistenten in der Abt. IV, Referat I, der Beschuldigte Felix Gruber war später stellvertretender Leiter des Referats IV A 1, das mit der Bekämpfung kommunistischer Widerstands- und Sabotagegruppen befaßt war. Sog. verschärfte Vernehmungen wurden zahlreich angewandt, um Geständnisse zu erzwingen. Üblich waren Schläge mit der flachen Hand und Faust, Schläge mit Gummiknüppeln, Rohrstöcken, Gummikabeln und Peitschen sowie Beinklammern, die einen Blutstau verursachten. Diese Mißhandlungsmethoden wurden von mehreren norwegischen Zeugen bestätigt.
Brynhild Stroem, geb. 27.01.1903 in Straumen, Schweden, wurde am 17.05.1942 (norwegischer Nationalfeiertag) morgens zwischen 10 und 11 Uhr in ihrer Wohnung Valerengate 5 festgenommen. Sie galt als Leiterin einer kommunistischen Kurierzentrale, umfangreiches Beweismaterial konnte sichergestellt werden. Der Beschuldigte Gustav Adolf Barschdorf war als zuständiger Sachbearbeiter für Stroem an der Festnahme beteiligt. Frau Stroem wurde in der BdS-Dienststelle im Zimmer des Beschuldigten Barschdorf, das neben dem des Beschuldigten Gruber lag, fast pausenlos bis zum Abend verhört. Wegen ihrer Aussageverweigerung wurde sie gefoltert und aufs schwerste mißhandelt. Zunächst erhielt sie Schläge mit der flachen Hand und der Faust an den Kopf; dann mit einem Gummiknüppel auf das Gesäß; schließlich schlugen drei Angehörige des Referats A 1 (der Angeklagte Barschdorf, Kurt Lubinski, SS-Hauptscharführer und Kriminaloberassistent, gefallen 11.12.1943 in Oslo und Hlawiczka, nähere Personalien unbekannt) unkontrolliert und mit großer Wucht mit Fäusten und Gummiknüppeln auf Frau Stroem ein. Sie wurde mehrfach bewußtlos, mindestens in der letzten Stunde vor ihrem Tod war sie aufgrund einer Bewußtseinstrübung zu einer Aussage nicht mehr fähig. Die Mißhandlungen wurden jedoch fortgesetzt. Zwischen 19 Uhr und 19 Uhr 30 sah sie ein Zeuge mit hochgerutschtem Rock auf einem Schreibtisch liegend, wobei ihre Unterhose, so der Zeuge, naß war. Der Angeklagte Barschdorf habe die bewußtlose Frau auf einen Stuhl setzen lassen und durch Wassergüsse ins Gesicht wieder zu Bewußtsein bringen lassen. Der Zeuge bemerkte, wie Frau Stroem noch ihre linke Brust, die aus der Oberbekleidung gerutscht war, wieder bedeckte. Später sah er, daß sie erneut auf dem Schreibtisch liegend geschlagen wurde. Der Angeklagte Barschdorf äußerte sinngemäß: "Das ist doch kein Schlagen, gib mal her, ich werde es Euch zeigen, wie man schlägt." Frau Stroem verstarb während der Vernehmung gegen 20 Uhr an den Folgen der ihr zugefügten Verletzungen.
Im Obduktionsbericht wurde ausgedehnte Hämatome am ganzen Körper, insbesondere auf Beinen und Gesäß festgestellt, ebenso am Kopf. Weiter "Abriß der Dornfortsätze der unteren Lendenwirbelsäule, Auseinanderklaffung des Darmbein - Kreuzbeingelenkes. Schädelbasisbruch... Fettembolie." Der Tod trat durch innere Blutungen und eine Fettembolie durch äußere Gewalteinwirkungen ein. Eine Untersuchung zum Tod von Frau Stroem wurde 1942 ohne Konsequenzen für die Beteiligten abgebrochen. Stroems Tod war der erste im Referat IV A 1 und unterlag der Geheimhaltung. Die Gestapo ließ Gerüchte streuen, Frau Stroem sei in ein KZ nach Deutschland gekommen und habe sich vergiftet.
Nach der Anklageerhebung wurden die Beschuldigten zunächst außer Verfolgung gesetzt. Das Gericht sah in der Tötung zwar Körperverletzung mit Todesfolge; der Tatbestand des Mordes sei aber nicht nachzuweisen, weswegen eine Verurteilung in der Hauptverhandlung nicht wahrscheinlich sei. Zwar spreche für den Tötungsvorsatz die große Brutalität des Vorgehens. Da die Tatzeugin (Kriminaloberassistentin, Dolmetscherin und Sachbearbeiterin) vermutlich in der letzten Phase der Vernehmung nicht anwesend war, sei das Verhalten der Angeklagten nicht zu klären. Das Hanseatische Oberlandesgericht ordnete die Hauptverhandlung an.
Der Angeklagte Gruber ließ sich dahingehend ein, daß er den Tag der Tat (ein Sonntag) bis zum frühen Abend außerhalb der Dienststelle verbracht hatte und erst gegen 18 Uhr in die Dienststelle kam. Er wurde erst ins Vernehmungszimmer geholt, als die Frau bereits tot gewesen sei. Er habe noch Wiederbelebungsversuche gemacht und den Arzt rufen lassen. 14 Tage nach dem Fall sei er zum Untersuchungsrichter beim SS- und Polizeigericht einbestellt worden, wo er ein Schriftstück unterzeichnen mußte, in dem es hieß, Frau Stroem sei durch ungerechtfertigte Maßnahmen zu Tode gekommen und daß dies nicht mehr vorkommen dürfe. Dies sei ihm gegenüber als Formalität bezeichnet worden, ihm wurde gesagt, man könne in der Verhörpraxis so fortfahren wie bisher.
Der Angeklagte Barschdorf gab an, daß die Mißhandlungen vor allem von Hlawiczka und Lubinski ausgeführt worden seien. Er bestritt, Leiter der Aktion gewesen zu sein. Die Zeugin K., die während weitere Strecken des Verhörs anwesend war, belastete Barschdorf. Trotz des Liebesverhältnisses, das die Zeugin mit Barschdorf während des Aufenthaltes in Norwegen hatte, galt ihre Aussage als glaubwürdig. (Sie wurde im April 1948 wegen Kollaboration mit der deutschen Besatzungsmacht zu 18 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, Verbüßung nur bis zum Jahre 1951). Außerdem belastete ein weiterer Zeuge den Angeklagten Barschdorf.
Vorsitzender Richter:Gerkan, Dr., von (19.11.73); Schmidt, G., Dr.; Sarstedt (BGH)
Staatsanwalt:Klemm
Alte Aktenzeichen staatsanw. Ermittlungsverfahren:Staatsanwaltschaft Hamburg 147 Js 25/70.
Angeklagte / Beklagte:Barschdorf, Gustav Adolf, geb. am 09.05.1908 in Peterswaldau, bei/Reichenbach/Eulengebirge, gest. am 30.12.1989 in Lübeck, Mitarbeiter der Abteilung IV Referat A 1 des BdS, Kriminaloberassistent, SS-Hauptscharführer
Gruber, Felix, geb. am 09.01.1903 in Egglhofen/Kreis Mühldorf, Stellv. Leiter des Referates A 1 des BdS Norwegen, Kriminaloberassistent (Tatz.), SS-Hauptscharführer
Date of birth:5/9/1908
 

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End of term of protection:12/31/2007
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