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213-12__ Michalsen, Georg, u.a. Deportation von mindestens 300.000 Juden ins Vernichtungslager Treblinka und Erschiessung von mehreren tausend Juden bei der Liquidierung des Warschauer Ghettos zwischen dem 22.07.1942 und Mitte September 1942. Deportation von mindestens 15.000 Juden in die Vernicht
Ref. code: | 213-12__ |
Title: | Michalsen, Georg, u.a. Deportation von mindestens 300.000 Juden ins Vernichtungslager Treblinka und Erschiessung von mehreren tausend Juden bei der Liquidierung des Warschauer Ghettos zwischen dem 22.07.1942 und Mitte September 1942. Deportation von mindestens 15.000 Juden in die Vernichtungslager Treblinka und Auschwitz sowie in Zwangsarbeitslager im Distrikt Lublin bei der Räumung des Ghettos Bialystok vom 16. bis 23. August 1943. Tötung jüdischer Zwangsarbeiter im ZAL Budzyn sowie in Krasnik (Staatsanwaltschaft Hamburg 147 Js 24/72) |
Laufzeit: | 1942-1977 (1942-1943) 1970-1977 |
Contains also: | Wichtige Zeugen: Reich-Ranicki, Marcel; Hahn, Ludwig, Dr.; Streibel, Karl; Höfle, Hermann (+). |
| Enthält u.a.: Umfang / Inhalt: Hauptakten Bde. 125 bis 133 = Bl. 21436 - 23036, 4 Bde. Handakten (unblattiert = ca. 800 Bl.), 16 Ordner Zeugen-, Besch.aussagen, Dokumente, teils Dubletten, zahlreiche Dossiers zu Teilkomplexen und Besch., Vollstreckungs- und Gnadenhefte, Kostenhefte; 126 Ordner Gesamtkarteien zu Michalsen und Streibel.- |
| Straftatbestand: Die Anklage warf den vier Angeklagten die Beteiligung an der Aussiedlung des Warschauer Ghettos im Sommer 1942 vor, wobei der Angeklagte Georg Michalsen die Aussiedlung überwachte, der Angeklagte Otto Hantke Räumkommandos führte, Selektionen durchführte und mindestens 12 Menschen tötete, und die Angeklagten Eugen Lehnert und Walter Seichter Wohnungen durchsuchten und Juden zum Umschlagplatz brachten. Der Angeklagte Georg Michalsen soll ferner laut Anklage die Räumung des Ghettos Bialystok überwacht haben. Der Angeklagte Otto Hantke soll a) im November 1942 einen Juden in der Dzielnastraße in Warschau erschossen haben, b) während der Stroop-Aktion im April/Mai 1943 ein 6 J altes jüdisches Mädchen in Warschau erschossen haben, außerdem für c) Erschießung des Juden Borenstein im ZAL Budzyn im Herbst 1942, d) Erschießung von vier Typhuskranken im ZAL Budzyn im Herbst 1942, e) Erhängung des Juden Rosenbusch im Herbst 1942 im ZAL Budzyn, f) Erschießung des Juden Baruch Krumholz in Krasnik im Herbst 1942, weil dieser nicht schnell genug seine Stiefel anzog, verantwortlich gewesen sein. Das Ghetto Warschau war im Sommer 1942 das größte Ghetto des Generalgouvernments mit einer geschätzten Zahl von 370.000 jüdischen Bewohnern. Die Lebensbedingungen waren entsetzlich. Mitte Juli 1942 fand eine Besprechung beim SSPF Lublin, Globocnik, statt, an der der Sturmbannführer Höfle und möglicherweise der Angeklagte Georg Michalsen teilnahmen. Vor dem 22.07.1942 kam das Lubliner Kommando unter Leitung Höfles in Warschau an. Der Beschuldigte Georg Michalsen war Stellvertreter Höfles, zu dem Kommando gehörten weiterhin die Beschuldigten Otto Hantke, Eugen Lehnert und Walter Seichter. Insgesamt handelte es sich um 15 Mann aus Lublin, die über eine unbekannte Anzahl ukrainischer Hilfswilliger aus dem SS-Ausbildungslager Trawniki verfügten. Außerdem gab es lokale Kräfte aus Warschau, sowie lettische und litauische Hilfswillige. Am 22.07.1942 nahm das Lubliner Kommando im Ghetto im Hause Zelasnastraße 103 Quartier und leitete von dort aus die Ghettoräumung. Höfle informierte den Vorsitzenden des Judenrates, Adam Czerniakow, über die "Umsiedlung" der Juden in den Osten und befahl, täglich 6000 Juden zum Umschlagplatz zum Abtransport zu bringen. Sehr arme Juden begaben sich aufgrund der Lebensmittelzuteilung von 3 Kilo Brot und einem Eimer Marmelade freiwillig zum Umschlagplatz, die Insassen von Gefängnis, Alters- und Kinderheimen wurden zum Umschlagplatz getrieben. Sie alle wurden in Treblinka vergast. Die Patienten des Stawkikrankenhauses wurden an Ort und Stelle erschossen, ein Verantwortlicher konnte nicht gefunden werden. Der Angeklagte Georg Michalsen führte in Vertretung Höfles die Oberaufsicht über die Ghettoräumung, der Angeklagte Otto Hantke war beauftragt, arbeitsfähige Juden für das ZAL Lublin auszusuchen, da aber nur alte Leute und Kinder kamen, war er zunächst unbeteiligt. Beiden konnte nicht nachgewiesen werden, daß der Abtransport der Ermordung dienen sollte. Seit spätestens Anfang August 1942 wurde die Vergasung der Juden in Treblinka bekannt: die Rohheit beim Abtransport, die Auswahl von Alten und Kindern sprach gegen den Arbeitseinsatz, einigen Juden gelang es, vom Transport zu fliehen, polnische Eisenbahner und Juden notierten die Wagennummern und bemerkten anhand der schnellen Rückkehr, daß der Transport nicht weit in den Osten führen konnte, sondern daß die Transporte in den Tod führten. Deswegen kamen die Juden nicht mehr freiwillig zum Umschlagplatz. Der Angeklagte Georg Michalsen arbeitete zusammen mit Höfle einen Plan aus, demzufolge Straßenzüge systematisch geräumt wurden. Die Räumkommandos bestanden aus jüdischer Ordnungspolizei, deutscher Sicherheitspolizei, Ukrainern oder Letten und SS. |
| Die Kommandos wurden entweder von Angehörigen des Lubliner Kommandos oder Warschauer Sipo geleitet. Die Juden wurden aus ihren Wohnungen gejagt, wer Arbeitsausweise hatte, wurde meist wieder entlassen, manchmal aber auch mit zum Umschlagplatz getrieben. Die Firmenchefs der Firmen Schultz und Toebbens versuchten am Umschlagplatz, Arbeitskräfte wieder frei zu bekommen, was manchmal gelang. Der geräumte Straßenzug durfte von Juden nicht mehr betreten werden, dadurch wurde das Ghetto ständig verkleinert. Der Angeklagte Georg Michalsen stellte die Räumungspläne auf und leitete gelegentlich die Räumungseinsätze. Er war auch öfters am Umschlagplatz und sah die Toten. Außerdem entschied er über die Freigabe von Juden mit Arbeitsausweisen, die zum Transport bestimmt worden waren. Der Angeklagte Otto Hantke war an Räumkommandos beteiligt, bei denen geschlagen und geschossen wurde. Meist überwachte er die Verladung der Juden am Umschlagplatz. Dort erschoß er auch den Juden David Chajkin, der aufgrund einer Gehbehinderung eine Kolonne blockierte. Wegen der zu großen Grausamkeit der Letten, die auf die Arbeitsbescheinigungen keinerlei Augenmerk richteten, wurden sie nicht mehr eingesetzt, wohingegen die Trawnikis blieben. Die Juden begannen, in den Betrieben zu wohnen, um den Räumkommandos zu entgehen, diese wiederum begannen, in dem Firmen nach Juden für den Transport zu suchen. Juden ohne bzw. mit falschen Arbeitspapieren wurden selektiert. Der Angeklagte Georg Michalsen hatte für die Einführung neuer Arbeitsausweise gesorgt, um sie von den falschen Papieren unterscheiden zu können. Manchmal kontrollierte er auch selbst und brachte Juden ohne bzw. mit falschen Papieren zum Umschlagplatz. Der Angeklagte Otto Hantke war ebenfalls an Selektionen in Firmen, z.B. bei der Firma Toebbens, beteiligt. Bei den Juden war er aufgrund seiner großen Brutalität - er benutzte die Peitsche und schoß auch - gefürchtet. Bei einer Selektion bei der Firma Toebbens August oder Anfang September 1942 erschoß er eine Jüdin, weil sie sich auf die Seite der Juden mit Arbeitspapieren begeben wollte. Anfang September 1942 wurden den Firmen Toebbens und Schultz je 8000 Juden als Kontingentarbeiter zugeteilt, den kleineren Firmen ebenfalls bestimmte Kontingente. Alle übrigen sollten nach Treblinka deportiert und ermordet werden. Am 05.09.1942 begann die Aktion "Kessel an der Mila", die mindestens 3 Tage dauerte. Die Juden mußten sich nach Firmenangehörigkeit in Straßenzügen versammeln und an einer Sperre von SS-Leuten in der Milastraße mit erhobenen neuen Ausweispapieren vorbeimarschieren. Dann kehrten die Arbeitskräfte geschlossen in die Betriebe zurück, die übrigen wurden zum Umschlagplatz gebracht. Dabei wurden Familien auseinandergerissen, Kinder, die in Rucksäcken versteckt waren, getötet. 30.000 Juden blieben legal mit Arbeitspapieren im Ghetto, weitere 30.000 lebten illegal versteckt im Ghetto. Von den 370.000 Juden waren zwischen dem 22.07.1942 und Mitte September 1942 300.000 nach Treblinka deportiert und vergast worden. |
| Belegt sind folgende Zahlen: 23.07.42: 6000; 24.07.42: 6000; 25.07.42: 7000; 26.07.42: 7000; 28.07.42: 7000; 29.07.42: 5500, 30.07.42: 7000; 31.07.42: 6000; 01.08.42: 6220; 02.08.42: 6276; 03.08.42: 6458; 04.08.42: 6588; 05.08.42: 6623; 06.08.42: 10.085; 07.08.42: 10.672; 08.08.42: 7304; 09.08.42: 6292; 10.08.42: 2148; 11.08.42: 7725; 12.08.42: 4688; 13.08.42: 4513; 14.08.42: 5148; 15.08.42: 3683; 16.08.42: 4095; 17.08.42: 4160; 18.08.42: 3976; - 19.08. bis 24.08.42: Keine Transporte - , 25.08.42: 3002; 27.08.42: 2464; 03.09.42: 4609; 04.09.42: 1669; 06.09.42: 3634; 07.09.42: 6840; 08.09.42: 13.596; 09.09.42: 6616; 10.0942: 5199; 12.09.42: 4806; 21.09.42: 2196. Insgesamt belegt sind 235.389 deportierte Juden, für einige Tage liegen aber keine Transportzahlen vor, was die Differenz der Gesamtzahl von 300.000 ermordeten Warschauer Juden erklärt. Der Angeklagte Otto Hantke war bei der Selektion an der Milastraße beteiligt, indem er mit der Peitsche die Arbeitsfähigen aussuchte und dabei Familien auseinanderriß. Der Angeklagte Otto Hantke verließ Warschau mit dem Lubliner Kommando Mitte September und kam für etwa ein bis zwei Wochen ins Lipowa-Lager in Lublin. In der 2. Septemberwoche erhielt er vom SSPF Lublin, Globocnik, den Befehl, das ZAL Budzyn als Lagerleiter zu übernehmen und auszubauen. In dem nahe Budzyn gelegenen Krasnik wurde der jüdische Wohnbezirk aufgelöst. Am Bahnhof suchte sich der Angeklagte Otto Hantke die Arbeitskräfte für Budzyn aus. Etwa 100 Juden wurden ausgewählt. Der Angeklagte erschoß hierbei den Juden Baruch Krumholz, dem zu kleine Stiefel gegeben worden waren und der sich deshalb beschwerte. Außerdem erschoß er im Herbst 1942 den Juden Symcha Borenstein in Budzyn, der sich am Bein oder Fuß verletzt hatte. Ferner erschoß er vier jüdische Typhuskranke in Budzyn, um die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. Von der Erhängung des Juden Rosenbusch, der Lebensmittel ins Lager geschmuggelt haben soll, wurde der Angeklagte Otto Hantke freigesprochen, dito Freispruch von Erschießungen im November 1942 im Ghetto Warschau, ebenso von der Erschießung eines 6 Jahre alten Mädchens während der Stroop-Aktion im April 1943. |
| Der Angeklagte Georg Michalsen war außerdem beteiligt an der Räumung des Ghettos Bialystok vom 16. bis 23. August 1943, als noch etwa 25.000 Juden dort lebten. Beteiligt an der Räumung war das Kommando Lublin, die örtliche Sipo, das Polizei-Regiment 26 sowie Hilfswillige. Den Juden wurde mitgeteilt, sie sollten zur Arbeit nach Lublin kommen. Die meisten versammelten sich freiwillig auf den Sammelplätzen. Das Ghetto wurde von Sipo und dem Ersten Bataillon des Polizeiregiments 26 systematisch durchkämmt, versteckte Juden teils erschossen, teils mit Gewalt zum Sammelplatz gebracht. Juden, die Widerstand leisteten, wurden mit Handgranaten getötet. Da sich die Bereitstellung der Züge zum Abtransport verzögerte, mußten die Juden teils mehr als einen Tag bei glühender Hitze ohne Wasser warten. Es kam zu Gewaltätigkeiten von Seiten der Bewacher. Jüdische Kinder wurden von ihren Eltern getrennt und mit einen besonderen Kindertransport zunächst nach Theresienstadt gebracht, von dort im Oktober 1943 nach Auschwitz, wo sie ermordet wurden. Die Juden Bialystoks wußten von ihrem Schicksal: sie hatten Kleider mit dem Judenstern aus Treblinka zur Aufarbeitung ins Ghetto Bialystok erhalten. Die Kleider stammten von den Juden, die bei einer Teilräumung des Bialystoker Ghettos nach Treblinka deportiert worden waren. Vom 16. bis 23.08.43 wurden mindestens 15.000 Ghettobewohner nach Treblinka und Auschwitz deportiert. Die als arbeitsfähig Selektierten kamen in das ZAL Lublin. Der Angeklagte Georg Michalsen bereitete die Räumungsaktion in Bialystok vor. Ihm unterstanden etwa 8 bis 10 Mann des Lubliner Kommandos. Am 16.08.43 informierte der Angeklagte Georg Michalsen den Judenrat von der Räumung des Ghettos. Er bezog im Haus des Judenrates einen Dienstraum und leitete von dort aus die Räumung, die wie in Warschau mit Hilfe des jüdischen Ordnungsdienstes vor sich ging. Außerdem erstattete er dem KdS Dr. Zimmermann Bericht. Verurteilt wurde der Angeklagte Georg Michalsen wegen seiner Beteiligung an den Räumungen der Ghettos Warschau und Bialystok, der Angeklagte Otto Hantke wegen der Beteiligung an der Räumung des Warschauer Ghettos, der Erschießungen des David Chajkin und der Jüdin an der Lesznostraße (als eine Handlung gewertet) sowie der Erschießung des Baruch Krumholz in Krasnik, der Ermordung des Symcha Borenstein und der vier Typhuskranken in Budzyn (jeweils als eine Handlung gewertet.). |
Vorsitzender Richter: | Gerkan, von; Wagner, Dr. (25.07.74); Sarstedt |
Staatsanwalt: | Käselau; Kuhlmann (25.07.74) |
Alte Aktenzeichen staatsanw. Ermittlungsverfahren: | Staatsanwaltschaft Hamburg 147 Js 24/72, abgetrennt aus 147 Js 32/70.- |
Alte Aktenzeichen Eröffnung Hauptverfahren: | 47 Ks 3/72; (50) 23/73; 5 StR 457/75 (BGH). |
Former reference codes: | 213-12_0038 |
Angeklagte / Beklagte: | Michalsen, Georg, geb. am 13.09.1906, in Wendrin/Oberschlesien, Stellv. Leiter Lubliner Kommando, Angeh. Stab SSPF, SS-Sturmbannführer |
| Hantke, Otto, geb. am 21.01.1907, in Katscher/Oberschlesien, Mitglied des Stabes des SSPF, SS-Oberscharführer |
| Lehnert, Eugen, geb. am 04.01.1910, in Hindenburg/Oberschlesien, SS-Unterscharführer |
| Seichter, Walter, geb. am 28.08.1911, in Hotzenplotz/Oberschlesien, SS-Unterscharführer |
| Hanelt, Gustav Hermann Heinrich, geb. am 21.09.1914, in Schmachthagen/Stormarn, Leiter SS-Forschungsstelle für Ostunterkünfte, SS-Hauptsturmführer |
| Zucht, Adolf, geb. am 28.09.1900, in Helenow/Kreis Wladimir/Polen |
Date of birth: | 9/21/1914 |
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Usage |
End of term of protection: | 12/31/2007 |
Permission required: | Keine |
Physical Usability: | Uneingeschränkt |
Accessibility: | Öffentlich |
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URL: | https://recherche.staatsarchiv.hamburg.de/ScopeQuery5.2/detail.aspx?Id=1316327 |
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