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622-1/177 Heydorn, 1872-1973 (Bestand)
Information on identification |
Ref. code: | 622-1/177 |
Title: | Heydorn |
Laufzeit: | 1872-1973 |
Level: | Bestand |
Information on extent |
Number: | 177 |
Running meters: | 9.60 |
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Information on context |
Administration history: | Zum Provenienzbildner:
Pastor Wilhelm Heydorn wurde am 4. September 1873 in Neustadt/Holstein geboren. 1879 übersiedelte die Familie nach Plön, wo Heydorn das Gymnasium bis zur Primarreife besuchte. Im gleichen Jahr konvertierte er unter dem Einfluß der streng katholischgläubigen Mutter, aber gegen den Willen des evangelischen Vaters, des Geheimen Baurats Heydorn, zum Katholizismus. Seine berufliche Laufbahn hat er auf Anregung des Vaters mit einer militärischen Ausbildung begonnen, da der Vater bestrebt war, den Sohn dem Einfluß der Mutter und allem Katholischen zu entziehen. Wilhelm Heydorn trat 1890 in das 85. Infanterie-Regiment Herzog von Holstein zu Rendsburg ein, um Offizier zu werden. Nachdem er 1897 in Kiel sein Abitur während einer Rekonvaleszenz gemacht hatte, besuchte er von 1898 bis 1901 die Kriegsakademie in Berlin und nahm wieder die Konfession seines Vaters an. Im folgenden Jahr schied Heydorn als Oberleutnant aus dem Militärdienst aus und begann in Kiel und Berlin u.a. bei Harnack und Gunkel Theologie zu studieren. Als Vikar in Nortorf und nach dem 2. Theologischen Examen als Hilfsgeistlicher in Kiel trat er 1905 seine Tätigkeit als Pastor an. Es folgten Dienststellen in Breslau (1908), in Burg/Fehmarn (1910) und in Hamburg (1912), wo er bis zu seinem Ausscheiden aus dem kirchlichen Dienst 1922 blieb. Heydorns tiefe Religiosität ließ ihn bald in den Konflikt zwischen "Religion" und "Kirche" geraten. Hauptanliegen waren ihm die seelsorgerische Arbeit, die Verwirklichung des sittlichen Gehalts des Christentums und eine damit verbundene Demut vor der göttlichen Ordnung. Er glaubte, das reine "Jesutum" gegen eine verbeamtete Staatskirche verteidigen zu müssen, die Dogmen- und Organisationsfragen seiner Meinung nach überbewertete. Während Pastor Heydorn bei seinen Gemeindemitgliedern große Zuneigung gewann, kam es schon 1911 zu einer ersten Auseinandersetzung mit den schleswig-holsteinischen Kirchenbehörden, nachdem er seine religiöse Grundüberzeugung in 100 Thesen veröffentlicht hat. Die Ereignisse bewogen ihn, sich in Hamburg um eine Pfarrstelle zu bemühen, wo die liberal gesonnenen Pfarrer ihn mit offenen Armen aufnahmen, jedoch die Orthodoxen geschlossen gegen ihn antraten. Nachdem das Geistliche Ministerium ihn schon in den Jahren 1913/14 mehrfach gerügt hatte, sah es sich 1921 gezwungen, Heydorn seines Amtes in der St. Katharinengemeinde zu entheben. Anlaß war die von ihm gehaltene programmatische Neujahrspredigt 1920, in der er deutlich machte, daß es ihm um die Verwirklichung eines religiösen Prinzips ging und er sich endgültig nicht mehr als Amtsträger einer Kirche verstand, die bestimmte religiöse Aussagen zu Dogmen erhebt, rituelle Amtshandlungen verpflichtend vorschreibt und über einen kirchlichen Verwaltungsapparat verfügt. Zu dieser Konsequenz, außerhalb der kirchlichen Organisation zu wirken, fühlte sich Heydorn nach den Erfahrungen der Kriegsjahre und mit den Hamburger Kirchenbehörden veranlaßt. Ein Jahr nach seiner Amtsenthebung wurde ihm außerdem vom Disziplinarhof der Landeskirche der Titel, die Anstellungsfähigkeit, die Befähigung zur Vornahme geistlicher Amtshandlungen sowie derAnspruch auf ein Ruhegehalt entzogen, das nur für eine Übergangszeit bis März 1931 zu 3/4 des gesetzlichen Ruhegehalts gezahlt wurde. Auf der Suche nach einer Möglichkeit, zu einer wachsenden Versittlichung der Menschheit beizutragen, studierte Heydorn von 1922 bis 1924 Medizin und versuchte sich als Heilpraktiker. Ihm schienen auch hier die Grenzen zu eng gesetzt, so daß er sich zum Volksschullehrer ausbilden ließ (1926/27). Er unterrichtete an der Telemannschule und später als staatlich angestellter Hauslehrer körperbehinderte Kinder. Außerdem hielt er in den Jahren 1922 bis 1933 regelmäßig freireligiöse Predigten in Altonaer und Hamburger Schulen.
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| Die Not in den Jahren der Weltwirtschaftskrise veranlaßte ihn, auch politisch tätig zu werden. 1930 gründete er die Menschheitspartei, deren wesentliche Zielsetzung neben wirtschaftlichen Programmen die Erziehung des Menschen zu wachsender Versittlichung war. Das Erziehungsprogramm stützte sich auf Theorien des 18. Jahrhunderts, die davon ausgehen, daß umfassende Bildungsarbeit und eine stete Mehrung des Wissens zur Versittlichung des Menschen führen müßten. Wilhelm Heydorn arbeitete sich in zahlreiche unterschiedliche Wissensgebiete ein, vor allem in Geschichte, Philosophie und Philologie, und gab sein umfangreiches Wissen in Schrift und Wort weiter. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde er 1935 aus dem Schuldienst entlassen und 1939 wegen Abfassung und Verbreitung staatsfeindlicher Schriften verurteilt. Bei der Hausdurchsuchung verlor er einen großen Teil seiner Bibliothek. Nach Ende des 2. Weltkrieges setzte Heydorn seine Erziehungsarbeit mit der Gründung des Menschheitsbundes (1945) fort. In privaten Studien widmete er sich philosophischen Themen, u.a. der Erkenntnistheorie und Metaphysik. Wilhelm Heydorn starb am 27. Dezember 1958 in Hamburg-Blankenese, wo er seit 1918 gelebt hatte. 1972 benannte die Stadt Hamburg ihm zu Ehren eine neue Straße in Hamburg-Blankenese. |
Archival history: | Der hier verzeichnete Teil des Nachlasses wurde von Volker Detlef Heydorn, Hamburg, einem Sohn Wilhelm Heydorns, von April 1982 bis Oktober 1983 an das Staatsarchiv gegeben. Kassationen wurden auf Wunsch des Ablieferers nicht durchgeführt. Außer den in das Staatsarchiv gegebenen Papieren gehören zum Nachlaß noch umfangreiche familiengeschichtlichen Forschungen, Unterlagen aus der Militärzeit und zahlreiche Briefe von Vater, Mutter, den Schwestern und Tagebücher einer Tante, die Aufschluß geben über die Probleme der elterlichen Mischehe und ihren Einfluß auf die persönliche Entwicklung Heydorns. Pastor Heydorn war ein passionierter Segler, besaß ein Segelboot und hat über seine Reisen Buch geführt; diese Logbücher sind erhalten. Das familiengschichtliche Material, die Briefe, Tagebücher und Logbücher bleiben vorläufig im Besitz der Familie Volker Detlef Heydorn und werden möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt an das Staatsarchiv gegeben, während die Unterlagen aus der Militärzeit aus Gründen des Forschungsinteresses mit dem Ableben des Sohnes Volker Detlef Heydorn dem Militärarchiv in Freiburg/Br. übergeben werden sollen. Teile des im Folgenden verzeichneten Bestandes, die das Theologie-Studium betreffen, wie Vorlesungsmitschriften, Seminarunterlagen u.s.w., befanden sich in der theologischen Bibliothek Wilhelm Heydorns, die erhalten geblieben ist und von einem seiner Enkel, Horst Richard Heydorn, Hamburg, aufbewahrt wird. Gez. Christine Hartmann, November 1983. Am 31.1.1986 lieferte Herr Volker Detlef Heydorn weiteres Material ab. Es wurde seinem Inhalt entsprechend in bereits bestehende Akten eingefächert, als neu gebildete Akten zwischengeordnet (7b, 65b, 72b, 72c, 76b Bd. 2) oder als ebenfalls neugebildete Akten dem Bestand angefügt (105-111).
Gez. Dieter Möhring, 04. November 1987.
Im Jahre 2017 erfolgte eine noch nicht abschließend bearbeitete Nachlieferung durch Herrn Ascan Heydorn an das Staatsarchiv. Eine von Volker Detlef Heydorn angelegte umfangreiche Materialsammlung zu Hamburger Künstlern wurde an Hamburger Kunsthalle (Dr. David Klemm, Kupferstichkabinett) weitergegeben, wo sie in dortigen Künstlerdokumentationen integriert werden soll (diese Sammlung entstand offenbar im Zusammenhang mit der mehrbändigen Veröffentlichung von Volker Detlev H. über Hamburger Künstlerinnen und Künstler seiner Zeit; der Autor war engagiertes Mitglied im Vorstand des Berufsverbandes Hamburger Künstler und hatte reges Interesse an Leben und Arbeit seiner Berufskolleginnen und -kollegen, wozu er viel gesammelt und recherchiert hat und wovon Wesentliches in seinen Veröffentlichungen verarbeitet ist).
Gez. Volker Reißmann, August 2017
Jede Archivguteinheit ist wie folgt zu zitieren: Staatsarchiv Hamburg, 622-1/177 Heydorn, Nr. ... |
Kommentierte Beständeübersicht: | Wilhelm: Ev.-luth. Pastor, Lehrer, Heilpraktiker; Beruf (1905-1921, 1928); Haushalt und Vermögen (1929-1933); Erinnerungen (1903, 1949, 1958); Korrespondenzen (1904-1964) |
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Conditions of access and use |
Access regulations: | Benutzung nach HmbArchG. Keine weiteren Spezialvorschriften oder Genehmigungsvorbehalte. |
Finding aids: | Findbuch (Papier) |
| unverzeichnet |
Signierung: | Numerus currens |
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Information on related materials |
Publications: | Nachruf für Volker Detlef Heydorn / JOE [Joachim Eggeling] In: Blankenese / Kulturkreis . - Hamburg-Blankenese : Blankeneser Bürger-Verein, 1950- (Staatsarchiv-Bibliothekssignatur: Z 507/0254, Bd. 57.2004, 11, Seite 3)
Maler in Hamburg (Lexikon in 3 Bänden) / Volker Detlef Heydorn Teil: 1.: 1886 - 1945; Teil 2: 1945-166; Teil 3: 1966-1974 Hamburg : Christians, 1974. - 193/104/164 S. : zahlr. Ill. (Staatsarchiv-Bibliothekssignatur: A 520/0039)
Fatima und Richard [Heydorn]: Ein Paar zwischen Deutschland und Afrika (1929-1943) / Iris Groschek und Rainer Hering. - Sulzbach (Taunus) : Ulrike Helmer Verlag, [2017]. - 194 S.: Ill. - ISBN: 3-89741-406-6 bzw. 978-3-89741-406-8 (nicht in der Bibliothek des Staatsarchivs vh.) |
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Containers |
Number: | 1 |
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Usage |
End of term of protection: | 12/31/2033 |
Permission required: | Keine |
Physical Usability: | Uneingeschränkt |
Accessibility: | Öffentlich |
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URL for this unit of description |
URL: | https://recherche.staatsarchiv.hamburg.de/ScopeQuery5.2/detail.aspx?Id=6157 |
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