622-1/9 Berenberg und Gossler, 1600 (ca.)-1974 (Bestand)

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Ref. code:622-1/9
Title:Berenberg und Gossler
Laufzeit:1600 (ca.)-1974
Level:Bestand

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Number:116
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Administration history:Zu den Provenienzbildnern:

Die Berenbergs zogen von Gummersbach (Erzstift Köln), wo noch heute Träger des Namens leben, 1515 nach Lier bei Antwerpen und Ende der 16. Jahrhunderts nach Antwerpen selbst. Anfangs Tuchmacher, weiteten sie ihren Handel aus und besuchten regelmäßig die Frankfurter Messen. Nach der Plünderung der Stadt durch die Spanier (1576) floh die jüngere Generation: ein Sohn nach Köln, zwei weitere, Hans (1561-1626) und Paul (1566-1645) mit weiteren Verwandten nach Hamburg. Doch hielten sie sich vorübergehend in Wismar und in den damals als Stapelplatz englischer Tuche florierenden Stade auf. Sie handelten mit Tuchen, Barchent und Seidenwaren, aber auch mit Krapp, Indigo und anderen Kolonialprodukten. Ihre Handelsverbindungen reichten von Portugal bis nach Archangelsk. Den Flüchtlingen, die sich zur reformierten Kirche und zu den Sekten hielten, gewährte Hamburg kein volles Bürgerrecht. Die Berenbergs gehörten jedoch zu den 130 Niederländischen Familien, die sich in die lutherische Kirche eingegliedert hatten und 1605 mit dem Hamburger Rat einen Rezess abschlossen, der sie den Bürgern völlig gleichstellte. Das entsprach dessen damals fremden-freundlichen Politik, die dazu führte, dass die Engländer 1611 und die portugiesischen Juden 1612 zugelassen wurden. Der starke Zustrom aus den Niederlanden, den Nachziehende noch verstärkten, drückte sich schnell im Stadtbild und in der Lebensführung aus: die Einrichtung einer Börse, die Begründung eines Waisenhauses, die Modernisierung der Stadtbefestigung, die Ausgestaltung des Versicherungswesen gingen auf niederländische Vorbilder zurück, oder es waren Niederländer sogar unmittelbar daran beteiligt.

Die Berenbergs, die sich mit den angesehsten der eingewanderten Familien versippten, aber bald auch ehen mit den einheimischen Geschlechtern eingingen und schnell in die Breite wuschsen, spielten von Anfang an bei der Eingliederung der Flüchtlinge in das öffentliche und private Leben ihrer neuen Heimat eine führende Rolle.

Dem Zeitbrauch, der den Begriff der Firma noch nicht kannte, folgend, wechselte der Name der Handlung je nach dem Inhaber - oder wenn Vater und Söhne oder Brüder zusammen handelten - nach diesen. Daher darf in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts von zwei Urenkeln Hans Berenbergs, Johann (1674-1749) und Rudolf (1680-1746), unter deren Namen geführte und als die unmittelbare Fortsetzung der von den beiden Stammvätern begründeten angesehen werden. Rudolf, der in seiner Jugend 9 Jahre in Venedig verlebt hatte, wurde 1735 zum Ratsherren gewählt und erlebte es noch, dass einer seiner Söhne sich in Livorno etablierte. Das Geschäft des Hauses bewegte sich in den überkommenen Bahnen, da deutschen Kaufleuten und Schiffen der Handel mit den überseeischen Kolonien nach wie vor verschlossen war. Es besorgte also aus den Häfen der Mutterländer Kolonialwaren und führte dafür Leinen, Eisen, Blech und andere deutsche Fabrikate aus, von denen ein guter Teil von dort den Weg in die Kolonien fand.
Doch schloss ihr Handelsbereich im 18. Jahrhundert auch Italien, Griechenland und die Türkei ein, und im Norden, wo Russland seine Bedeutung behalten hatte, beteiligte es sich zeitweise an der "Grönlandfahrt", d.h. an der Gewinnung von Walfett. Für dieses Bestand ein Interesse, weil dem Hause seit der Mitte des Jahrhunderts eine "Wachsbleiche" angegliedert war, auf der die Fabrikation von Kerzen betrieben wurde. Daneben beteiligte sich die Fammilie weiter an Seeversicherungen; sie besaß ferner Anteile an Schiffen - wegen des Risikos war die Parten-Schiffahrt noch das übliche -, und vor allem betrieb sie, da Banken noch fehlten, Geldgeschäfte, wie das der Handel seit alters allgemein tat. Wäre der Ausdruck damals schon übliche gewesen, könnte man die Berenbergs als Merchant Bankers bezeichnen.

Als 1763 im Anschluss an den Hubertsburger Frieden eine Handelskrise ausbrach, sah sich das Haus B. gefährdet und erhielt Unterstützung von der vom Rat begründeten Darlehnskasse gegen Verpfändung von Waren.
Die Firma konnte dann sehr schnell ihre frühere Stellung zurückgewinnen. Da der 1767 in den Rat gewählte Paul bereits 1768 starb, wurde Johann (1718-1772) der alleinige Inhaber, und da dessen einziger Sohn frühzeitig starb, nahm er am 1. Februar 1769 den Gatten seiner einzigen Tochter Elisabeth, Johann Hinrich Gossler, in dessen Handlung auf. Dieser Sohn des die Funktionen eines Amtszeremienmeisters ausübenden "Herrenschenken" und Spross einer seit dem 17. Jahrhundert nachweisbaren, bisher nicht begüterten Familie, hatte er bereits von 1754 bis 1761 als "Junge" der Berenberger Handlung gedient, sich dann in Spanien umgetan und auch England und Frankreich kennengelernt. Er brachte in das Geschäft neuen Schwung und verfügte 1785 als nunmehriger Alleininhaber über rund 1/2 Millionen Mark Bco., d.h. über mehr als das Doppelte des in der Mitte des Jahrhunderts angesammelten Kapitels der Handlung. Nachdem er seinerseits seinen Schweigersohn Johann Erdwin Seyler (1758-1836) zum Partner gemacht hatte, wurde der Namen "Joh. Berenberg und Gossler" zu dem von da an festgewordenen Firmennamen "Joh. Berenberg, Gossler & Co." erweitert. Nach Gosslers frühen Tode verbreiterte Seyler abermals den Aktionsradius des Haues: Es gehörte zu den ersten, die nach dem Abfall Amerikas den direkten Handel mit den Vereinigten Staaten einleiteten und sich an die nun mögloch werdende Ostasienfahrt wagten. Um die Jahrhundertwende betrug das Kapital der Firma daher fast 1 Million, und sie gehörte jetzt in die erste Reihe der Hanseatischen Häuser. In der Franzosenzeit verlor sie allerdings wieder die Hälfte; aber sie besass noch ihre Kunden und ihre Beziehungen, und deshalb gewann sie unter dem Sohne des alten Gossler, Johann Hinrich Gossler (1755-1842), der seit 1821 im Senat saß, eine Geltung, mit der es nur wenig andere Merchant Bankers in Hamburg aufnehmen konnten.
Wenn auch der Warenhandel immer weiter gepflegt und die bisherige Vielseitigkeit weiter unbeachtet wurde, so spielten doch die Geldgeschäfte nach und nach die vornehmliche Rolle. In der großen Handelskrise von 1857 gehörte die Firma Joh. Berenberg, Gossler & Co. zu den fünf großen Häusern, denen auf Beschluss des Senats eine Unterstützung gegen Sicherheiten zugesagt wurde. Ausweislich der Bücher der Firma wurde diese zugesagte Unterstützung nur in geringen Umfange in Anspruch genommen und die Anleihe nach kurzer Frist zurückgezahlt. Von da an bis zum 1. Weltkrieg erlebte sie gute Jahre. Johann Gossler (1839-1913), ein Enkel des Senator, erhielt 1889 vom Senat die Erlaubnis zum Führen des Namens Berenberg-Gossler, in Anerkennung seines frühzeitigen Eintretens für den Zollanschluss Hamburgs 1889 den preußlichen erblichen Adel und 1910 den preußischen Freiherrn-Titel. Sein Sohn Johan von Berenberg-Gossler (1866-1943) schied 1908 infolge seiner Wahl in den Senat aus der Firma aus. Er wurde 1920 als erster deutscher Nachkriegsbotschafter nach Rom greschickt, trat jedoch 1921 schon zurück. Die Firma schloss Anfang 1930 in Vorahnung der großen Krise 1930 einen Vertrag mit der Darmstädter Bank, laut welchem die Geschäfte - aber nicht der Name der Firma - auf die Darmstädter Bank übergeleitet wurden. Die Firma ruhe dann bis zum Jahre 1948, in dem sie die Geschäfte der Filiale der Norddeutschen Kreditbank A.G. Bremen, übernahm. Es haben biser 11 Generationen, fünf aus der Familie Berenberg, sechs aus der Familie Gossler im Dienst der um 1590 von den niederländischen Einwanderern begründeten Handlung Berenberg gestanden. In Hamburg sind die Berenberg 1862 erloschen; ein Lüneburger Zweig blühte bis in das 20. Jahrhundert. Von den Gosslers existieren in Hamburg noch mehrere Linien. [Verfasser: Percy E. Schramm (Aufsatz für die Zeitschrift "Das Archiv" in München, 1952)]

Im September 2017 lieferte Frau Anja von Heyden einen weiteren Ordner mit familienkundlichen Papiere und Fotos der Familie des Bankiers Andreas von Berenberg-Goßler als Schenkung ab.

Volker Reißmann, September 2017
Archival history:Jede Archivguteinheit ist wie folgt zu zitieren: Staatsarchiv Hamburg, 622-1/9 Berenberg und Gossler, Nr. ...
Kommentierte Beständeübersicht:Kaufleute, Bankiers, Postmeister, Senatoren;
Haushalt und Vermögen (17.Jh.-18.Jh., 1822-1911); Tagebücher (17.Jh.-19.Jh.); Korrespondenzen (1770-1783, 1813-1815, 1829-1842, 1913-1930, 1950-1952); Bilanzen der Firma Joh. Berenberg, Gossler & Co. (1801-1912)

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Access regulations:Benutzung nach HmbArchG.
Finding aids:Findbuch (Papier); Scope
Signierung:Numerus currens

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Originals (existence, storage location):siehe auch Bestand 622-1/28 Familie Gossler
 

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