361-10 Kinderlandverschickung Hamburg (KLV), 1940-1947 (Bestand)

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Ref. code:361-10
Title:Kinderlandverschickung Hamburg (KLV)
Laufzeit:1940-1947, (1954)
Level:Bestand

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Number:182
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Administration history:Schon um 1900 gab es Bemühungen kirchlicher und politischer Organisationen, gesund-heitlich gefährdeten Großstadtkindern Landaufenthalte zu vermitteln, um ihnen bei guter Luft und Beköstigung Erholung zu verschaffen. In den Notzeiten des 1. Weltkrieges und der darauf folgenden Jahre wurden diese Bemühungen verstärkt fortgesetzt.

In der NS-Zeit führte zunächst die NSV "Allgemeine Kinderlandverschickungen" für einzelne, von Schulärzten ausgewählte erholungsbedürftige Kinder durch, und zwar nur in den Sommermonaten und für nicht länger als sechs Wochen.

Nach Beginn des 2. Weltkrieges erwiesen sich bald größere Teile des Reichsgebiets als luftgefährdet, das hieß Angriffen gegnerischer Bombenflugzeuge ausgesetzt. Diese Angriffe richteten sich zunächst gegen Großstädte insbesondere im Westen und Nordwesten Deutschlands.

Deshalb setzte im Oktober 1940 die "Erweiterte Kinderlandverschickung" ein. Grundlage hierfür war eine Anordnung des "Führers", die sämtlichen Obersten Reichs- und Partei-dienststellen mit Rundschreiben vom 27.9.1940 bekanntgemacht wurde. Danach sollte die Jugend aus Gebieten, die immer wieder nächtliche Luftalarme hatten, in die übrigen Gebiete des Reiches geschickt werden, und zwar möglichst schul- oder klassenweise, wobei die Lehrkräfte miteingesetzt wurden. Diese hatten dann am Aufnahmeort für ausreichenden Unterricht zu sorgen.

Die Leitung der Aktion hatte "Der Beauftragte des Führers für die Erweiterte Kinderland-verschickung (KLV)", Reichsleiter und Reichsjugendführer Baldur von Schirach, dem später Artur Axmann folgte. Zur Zusammenarbeit wurde eine Vielzahl von Parteigliederungen und staatlichen Behörden herangezogen, insbesondere NSV, HJ, BDM und NSLB. Jedoch blieb die KLV eine staatliche (Reichs-)Einrichtung. deren Gesamtkosten vom Reichsfinanz-ministerium dem Staatshaushalt entnommen wurden.

Erfaßt wurden 6-14jährige Jungen und Mädchen für anfangs höchstens sechs Monate; im Laufe des Krieges verlängerte sich diese Zeitspanne oft erheblich. Die Entscheidung über die Verschickung ihrer Kinder blieb aber den Eltern vorbehalten; auch wurden vorzeitige Rückholungen geduldet. Da kein Zwang ausgeübt werden durfte, wurde vielfach für die Verschickung geworben, insbesondere unter Hinweis - außer auf die Luftgefahr - auf den anderweitig nur bedingt möglichen Unterricht für daheimbleibende Kinder.

Klassen aus dem "Entsendegau" Hamburg kamen in verschiedene "Aufnahmegaue". Die nächstgelegenen Lager für Hamburger Kinder befanden sich in der Lüneburger Heide und an der Lübecker Bucht, die fernsten in Ungarn, die meisten aber im "Gau Bayreuth", der vom Fichtelgebirge bis Niederbayern reichte.

Der Transport geschah zumeist mit Sonderzügen der Reichsbahn, zu ihrer Entlastung auch mit Passagier-Flußschiffen auf Elbe und Donau. Die Verpflegung unterwegs übernahm die NSV, unterstützt von Kräften der HJ und des BDM, die auch mancherlei andere Hilfsdienste leisteten.
Die Unterbringung am Zielort erfolgte unter dem Begriff "Geschlossenes Lager" klassenweise in den verschiedensten Unterkünften entsprechend den örtlichen Gegebenheiten; es kamen v.a. in Betracht: Hotels, Pensionen, Sanatorien, Gasthöfe, Jugendherbergen, (Schul-) Landheime, Klöster, Schlösser und Burgen, manchmal Barackenlager. Daneben gab es "Offene Lager", deren Zugehörige in Privatquartieren (oft Bauernhöfen), manchmal auf mehrere Ortschaften verteilt, untergebracht wurden. Die Lehrkräfte fungierten zugleich als Lagerleiter. Zur Unterstützung im nichtschulischen Bereich wurden ihnen aus den Reihen von HJ und BDM Lagermannschaftsführer/innen beigegeben.

Die Belastung der Lehrkräfte wegen der kriegsbedingt schwieriger werdenden allgemeinen Lage und wegen der hohen Verantwortung für ihre Schutzbefohlenen war oft groß, und viele Kinder litten unter der langen Trennung vom Elternhaus. Auch kam es besonders gegen Kriegsende und in der Zeit danach nicht selten zu Spannungen mit der einheimischen Bevölkerung.
Bei fortwährendem Zurückweichen der deutschen Ostfront wurden die KLV-Lager außerhalb der Reichsgrenzen und aus den Ostgauen nach und nach westwärts, insbesondere in den "Gau Bayreuth" zurückverlegt. Wegen allgemeiner Bahnverkehrssperre für den Zivilverkehr und durch den schließlichen Zusammenbruch der Verkehrsverbindungen konnten die hamburgischen KLV-Lager nicht mehr alle rechtzeitig in die Heimat zurückgeführt werden, sondern wurden von westalliierten Truppen überrollt. Da der gesamte Behörden- und Parteiapparat ebenfalls zusammengebrochen war, gerieten viele Lager auch materiell in Bedrängnis. Manche Kinder entwichen, um sich auf eigene Faust nach Hause durchzuschlagen. Es gelang der Schulverwaltung jedoch, Nottransporte (Güterzüge oder Lastkraftwagen) mit Genehmigung der Besatzungsbehörden einzusetzen und bis Oktober 1945 Schüler und Lehrkräfte nach Hamburg zurückzuholen.

Die Leitung als Inspekteur der hamburgischen KLV hatte der "Gauschulbeauftragte" der NSDAP, Oberstudienrat Dr. Heinrich Sahrhage (1892-1969) von der Albrecht-Thaer-Oberschule; sein früheres Ressort als "Gausachbearbeiter für Schul-Landheime" behielt er bei, wenngleich dieses jetzt sehr in den Hintergrund trat. Sein Sitz blieb in Hamburg (Curio-Haus, später Nagelsweg). Er hielt Verbindung mit den außerhalb Hamburg eingesetzten Lehrkräften, nahm deren örtliche und zeitliche Zuweisung vor und koordinierte ihren Einsatz, während die eigentlich Abordnung durch die Schulverwaltung erfolgte. Ferner hielt Dr. Sahrhage Verbindung mit der übergeordneten Reichsdienststelle KLV in Berlin sowie insbesondere mit dem hamburgischen Referenten in Bayreuth, Rektor J. Früchtenicht.
Archival history:Dr. Sahrhage rettete das hier verzeichnete Schriftgut über das Kriegsende und verwahrte es in der Albrecht-Thaer-Schule Vor dem Holstentor. Nach dem Tod Dr. Sahrhages betreute der Archivar des Landesverbandes Hamburg der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Herr Sagert, die Akten und bot sie 1980 dem Staatsarchiv Hamburg zur Übernahme an. Bevor das Staatsarchiv tätig werden konnte, ließ die "Dokumentations-Arbeitsgemeinschaft und Freundeskreis KLV e.V." die Akten Anfang 1981 nach Freiburg im Breisgau bringen, wo sie teilweise umgeordnet wurden. Nach langen Verhandlungen gelang es dem Staatsarchiv, die Akten im Juni 1983 zu übernehmen.

Bei der anschließenden Verzeichnungsarbeit, an der sich außer dem Unterzeichnenden die Herren Dr. Eckardt und Plog beteiligten, wurde die vorgefundene Ordnung soweit wie möglich beibehalten, offensichtliche Störungen jedoch beseitigt. Der Ablieferungsumfang von 8 m wurde durch Umbettung auf 5 m reduziert. Kassationen wurden nicht vorgenommen.

Mai 1984, gez. Möhring

Archivalien:
- Oberschulbehörde VI (Lagerungsnr. 332: Hinweis auf evtl. an den Bund abgegebenen Film über die KLV, Blatt 14 und 29)
- einzelne Schularchive
- Staatliche Pressestelle I-IV
- Handschriftensammlung 1289, 1404
- Plankammer (Fotoalbum aus dem Lager Wildbad Kreuth/Oberbayern, November 1941-Oktober 1942, abgeliefert von Siegmund Wülfken)

Weitere Ablieferungen der die "Dokumentations-Arbeitsgemeinschaft und Freundeskreis KLV e.V." wurden in der Folge von Herrn Möhring in den Bestand eingearbeitet, im Einzelnen handelt es sich um:

Nachlieferung vom 23.5.1986: Sign. 81
82
Nachlieferung vom 26.8.1987: Sign. 39 a, 53 Band 4, 53 a, 75 a, 83, 84
Nachlieferung vom 8.8.1988: Sign. 85

Nach einer weiteren Nachlieferung vom 4.6.1998 wurde der Bestand von Frau Groschek in den PC eingegeben, indiziert und neu ausgedruckt, ohne daß an der ursprünglichen Ordnung etwas verändert wurde. Unterlagen ohne jegliche innere Ordnung wurde in die entsprechenden bereits bestehenden Akten einsortiert, die anderen Vorgänge in den Bestand eingegliedert:

Nachlieferung vom 4.6.1998: Sign. 86, 87, 88, 89, 90

Conditions of access and use

Finding aids:Findbuch (Papier)
Scope
Signierung:Alte AE-Nr.

Information on related materials

Publications:KLV. Die erweiterte Kinderlandverschickung 1940-1945. Dokumentation, zusammengestellt von Gerhard Dabel, 1981

Jutta Rüdiger, Die Hitler-Jugend und ihr Selbstverständnis im Spiegel ihrer Aufgabengebiete, 1983, S. 289ff.
 

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