621-1/84 Ernst Kaufmann, 1928-1943 (Bestand)

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Ref. code:621-1/84
Title:Ernst Kaufmann
Laufzeit:1928-1943
Level:Bestand

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Administration history:Zur Geschichte der "jüdischen Rechtskonsulenten"

Bereits seit dem Jahre 1935 durften Bürger jüdischer Herkunft aufgrund einer Verordnung der "Deutschen Rechtsfront" nicht mehr von sogenannten "deutsch-arischblütigen" Rechtsanwälten vertreten werden. Nach der 5. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 27. September 1938 mußten nun auch alle bei deutschen Gerichten zugelassenen jüdischen Anwälte bis zum 30. November 1938 aus der Rechtsanwaltschaft ausscheiden. Damit wurde einer seit längerem geäußerten Forderung der "Reichsgruppe Rechtsanwälte des Nationalsozialistischen Rechtswahrerbundes (NSRB)" entsprochen. Im Altreich waren davon 1.753 Anwälte betroffen; in Hamburg gab es zu diesem Zeitpunkt noch 67 vom Oberlandesgericht zugelassene jüdische Anwälte. Durch diese Verordnung waren schlagartig auch alle diejenigen jüdischen Anwälte betroffen, die bisher von den starken Repressalien durch ihre Tätigkeit z.B. als Patentanwalt oder ihre gesellschaftliche Stellung als angesehene Frontkämpfer des 1. Weltkriegs verschont geblieben waren. Jedoch konnten "jüdische Mischlinge", "Halbjuden" oder mit jüdischen Frauen verheiratete Anwälte häufig auch über den Stichtag 30.11.1938 in ihrem Beruf noch für längere Zeit tätig sein.
Die erwähnte 5. Verordnung zum Reichsbürgergesetz sah nun vor, dass zur Vertretung von Juden, jüdischstämmigen Bürgern und jüdischen Unternehmungen sogenannte "jüdische Konsulenten" nach Bedürfnis und auf Widerruf zuzulassen seien. Diese Konsulententätigkeit wurde zugleich auch als "soziale Maßnahme" deklariert, die nicht nur zugelassenen Konsulenten helfen sollte, sondern auch den anderen ausgeschiedenen Rechtsanwälten, die "im Falle der Würdigkeit und Bedürftigkeit einen widerruflichen Unterhaltsbeitrag" beantragen konnten. Die Konsulenten mussten zur Beschaffung der erforderlichen Geldmittel für die Unterstützung der o.g. ausgeschiedenen Anwälte von den von ihnen erhobenen Gebühren bis zu 70 Prozent an eine Ausgleichsfonds abliefern.
In Hamburg und anderen großen Städten des Deutschen Reichs begannen die Vorbereitungen zur Einführung dieser Konsulententätigkeit bereits Ende Juli 1938 auf Anweisung des Reichsministers der Justiz in Berlin. Durch eine umfassende Auswertung der Gerichtsregister kam das Oberlandesgericht zu dem Schlussm dass für die noch in Hamburg lebende jüdische Bevölkerung (Mitte 1938: 18.000 Bürger) mit 7 bis 8 Rechtskonsulenten für die 6 Amtsgerichtsbezirke und den Landgerichtsbezirk Hamburg eine ausreichende rechtliche Beratungsmöglichkeit sichergestellt sei.
Die Verhandlungen mit der Anwaltskammer führten als Vertreter der jüdischen Anwälte in Hamburg Dr. Manfred Zadik und Dr. E. Windmüller (letzterer hatte aufgrund seines Alters und seiner Vermögenshältnisse auf einen eigenen Antrag zur Zulassung als Konsulent verzichtet). Die Liste mit den von der Rechtsanwaltskammer vorgeschlagenen ehemaligen Anwälten und Ersatzmännern jüdischer Abstammung wurde beim Oberlandesgerichtspräsidenten eingereicht, wobei alle 19 Hamburger Antragsteller genauestens von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) überprüft wurden. Ferner erhielten sie eine Vorladung vom Landgerichtsrat Dr. Krohn zur Abwicklung erforderlicher Maßnahmen für den Fall ihrer Zulassung.
Der Oberlandesgericht Hamburg ließ am 31. Januar 1939 - nach einer zehn Tage zuvor erfolgten Ermächtigung des Reichsjustizministers - von den ingesamt 19 Angestelltern zunächst nur sieben als Konsulenten für den Landesbezirk Hamburg zu:

1. Dr. Edgar Fels, Alstertor 21,
2. Dr. Hugo Möller, Hamburg-Altona, Adolf-Hitler-Platz 1,
3. Dr. Herbert Samson, Große Theaterstr. 34,
4. Dr. Siegfried Urias, Jungfernstieg 24,
5. Dr. Rudolf Warburg, Ferdinandstr. 75,
6. Dr. Manfred Zadik, Rathausstr. 16,
7. Dr. Walter Wulff, Große Johannisstr. 3

Zur Versorgung der Niederlassungsort Bremen und Emden wurden im April 1939 noch zwei weitere Konsulenten zugelassen, nämlich Dr. Walter Schüler und Dr. Albert Holländer.
Dr. Manfred Zadik übernahm die Funktion des Verbindungsmanns zwischen Behörden und Konsulenten und führte auch alle weiteren Verhandlungen mit dem Oberlandesgericht. Nach der Auswanderung von Dr. Zadik nach Guatemala Ende Februar 1941 übernahm der erst im Jahre 1940 zugelassene Konsulent Dr. Ernst Kaufmann die Funktion des Verbindungsmannes.

Alle Konsulenten mussten in ihren Briefbögen, auf den Stempeln und auf ihrem Türschild in einer bestimmten Schriftgröße den ausdrücklichen Hinweis "zugelassen nur zur rechtlichen Beratung und Vertretung von Juden" führen. Sie hatten allerdings die Möglichkeot, wieder einen Fernsprechanschluss zu beantragen (der jüdischen Bürgern in der Regel nicht mehr erlaubt war) und einen "wissenschaftlichen Hilfsarbeiter" zu beschäftigen, wobei letzterer meist auch ein ehemaliger Rechtsanwalt war. Insgesamt konnte ihre Arbeit nur unter starken Einschränkungen und Repressionen stattfinden; die für die jüdische Bevölkerung erlassene Gesetze und Verordnungen galten auch - mit ganz wenigen Ausnahmen - für die Konsulenten. Dies bedeutete z.B., sich dem Zwang zu unterwerfen, ab 1. September 1941 im Gerichtssaal den Judenstern sichtbar am Anzug zu tragen.

Ab Ende 1940 verweigerte das Oberlandesgericht die Ernennung von Nachfolgern für ausgewanderte jüdischen Konsulenten mit der Begründung, es "besteht kein ausreichender Bedarf" mehr für eine größere Auswahl von Konsulenten. Die Tätigkeit der letzten verbleibenen Konsulenten endete in Hamburg - wie auch im gesamten Reichsgebiet - mit der Auflösung der "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" am 10. Juni 1943.
Zum Konsulenten Dr. Ernst Kaufmann

Dr. Ernst Kaufmann wurde am 16. März 1880 in Hamburg geboren. Er schloss sich nach seinem Jurastudium und seiner Promotion in den 1920er Jahren mit den Rechtsanwälten Dr. Edgar Haas und Dr. Walter Klaas zu einer Sozietät zusammen, die ihren Sitz in der Dammtorstraße 27 hatte. Durch die starken Repressionen, denen die Annwäälte jüdischer Abstammung im Dritten Reich ausgesetzt waren, zerbrach diese Sozietät Mitte der 1930er Jahre: Zunächst schied Dr. Edgar Haas aus, bald darauf auf Dr. Kaufmann.Dr. Walter Klaas hingegen konnte weiterhin ungehindert den Beruf des Rechtsanwalts ausüben, da er "arischer Abstammung" war.

Dr. Edgar Haas und Dr. Ernst Kaufmann verloren im November 1938 wie alle jüdischen Anwälte ihre Zulassung und stellten daraufhin beide einen Antrag für eine Konsulententätigkeit. Zunächst wurde jedoch nur Dr. Haas für eine relativ kurze Zeitspanne als jüdischer Rechtskonsulent zugelassen (seine Akten sind im Staatsarchiv ebenfalls überliefert), während der Antrag von Dr. Kaufmann vom Oberlandesgericht abgelehnt wurde: Eine Überprüfung seiner Person durch die Geheime Staatspolizei (Gestapo) war zwar ohne Befund geblieben, andere ehemalige Rechtsanwälte wurden jedoch als ehemalige Frontkämpfer des Ersten Weltkrieges oder aufgrund ihrer finanziellen Situation vorgezogen.
Dr. Ernst Kaufmann stellte Anfang April 1939 einen Auswanderungsantrag beim Oberfinanzpräsidenten Hamburg/Devisenstelle für eine Übersiedlung nach Antwerpen/Belgien. Eine umfangreiche Untersuchung seitens der Zollfahndungsstelle wegen angeblichen Verstoßes gegen die Devisengesetze verhinderte die geplante Auswanderung nach Belgien, die nur im April möglich gewesen wäre.

Da sich keine weiteren Ausreisemöglichkeiten mehr boten, bemühte sich Dr. Kaufmann ab Mitte des Jahres 1939 verstärkt um eine Zulassung als Konsulent. Er arbeitete zunächst bei Dr. Manfred Zadik und seinem "wissenschaftlichen Hilfsarbeiter", Dr. Kurt Ledien, in dessen Kontor in der Jungmannstraße 1 in Hamburg-Othmarschen. Nach erfolgter Zulassung fand am 9. Juni 1940 ein Umzug in die Königstraße 21/22 statt. Alls Dr. Zadik Ende Februar 1941 die Ausreise nach Guatemala gelang, übernahm Dr. Kaufmann dessen Praxis (einschließlich des langjährigen Bürovorstehers Theodor Schmädecke und der Sekretärin) sowie die Funktion des Verbindungsmanns zu den Behörden und zum Oberlandesgericht.
Dr. Ernst Kaufmann hat den Holocaust nicht überlebt. Er wurde etwas 1943/44 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.
Archival history:Die Akten der deportierten oder ausgewanderten jüdischen Rechtskonsulenten wurden vom Oberlandesgericht eingezogen und teilweise - wie im Falle Kaufmann - einer provisorischen Registrierung unterzogen. Bei der im Jahre 1986 erfolgten Abgabe des Aktenbestandes Kaufmann betreffend fällt jedoch auf, dass die ersten beiden Aktenbündel mit etwa 70 Akten der Klienten A bis E nicht mitabgeliefert wurden. Die überlieferten Akten selbst waren durch unsachgemäße Lagerung stark in Mitleidenschaft gezogen, die Akteninhalte teilweise vermischt sowie Schriftstücke offensichtlich entfernt oder stark beschädigt (z.B. durch Herausreißen der Briefmarken). Für den Bestand Kaufmann gab es noch eine kleine Nachtragslieferung von 7 Akten am 19.02.1987.

Der Bestand ist wie folgt zu zitieren: Staatsarchiv Hamburg, Best. 621-1/84 Kaufmann, Nr. ...
Kommentierte Beständeübersicht:Jüdischer Rechtskonsulent;
enth. nur Klientenakten

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Access regulations:Benutzung nach HmbArchG. Keine weiteren Spezialvorschriften oder Genehmigungsvorbehalte.
Finding aids:Scope
Findbuch (Papier)
Signierung:Numerus currens

Information on related materials

Copies (existence, storage location):Der Bestand wurde 1997 verfilmt und ist unter folgenden Signaturen zu bestellen: 741-4 Fotoarchiv L 21/1 (1-20), L 21/2 (21-50), L 21/3 (51-56 U.A.3), L 21/4 (57-90), L 21/5 (91-134)
Related material:vgl. die Firmenarchive Siegfried Urias, Walter Wulff, Alexander Bachur, Edgar Haas, Walter Schüler sowie Oberlandesgericht Hamburg, Generalakten (Präsidialabteilung) 3712-1a (3)-(5) "Rechtliche Beratung und Vertretung der Juden" (1938-1941).
 

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