213-12__ Ratzeburg, Reinhold, wegen Beihilfe zum Mord durch Tätigkeit als "Rasseprüfer" (Staatsanwaltschaft Hamburg 147 Js 70/67), 1943-1969 (Serie)

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Ref. code:213-12__
Title:Ratzeburg, Reinhold, wegen Beihilfe zum Mord durch Tätigkeit als "Rasseprüfer" (Staatsanwaltschaft Hamburg 147 Js 70/67)
Laufzeit:(1943-1944) 1967-1969
Contains also:Enthält u.a.: Umfang/Inhalt: 2 Bde. Hauptakten (328 Bl.), Handakte (16 Bl.); Ausarbeitung (Broschüre) der ZStdLJV Ludwigsburg zur "Sonderbehandlung" gegen Fremdarbeiter u. Kgfg. wegen Verstoßes gegen "Lebensführungsregeln (ca. 50 Bl.), 1 Bd. Anlagen (Dok.) (68 Bl.).- Straftatbestand: Der Beschuldigte war ab dem 10.04.1942 im Rasse- und Siedlungshauptamt SS (RuSHA) Eignungsprüfer, ab Oktober 1943 Eignungsprüfer beim HSSPF Rhein/Westmark in Wiesbaden. Seine Aufgabe war die Bearbeitung von sog. Sonderbehandlungsverfahren gegen Fremdarbeiter wegen Verstoßes gegen die sog. Lebensführungsregeln (meist: verbotener Geschlechtsverkehrs mit Deutschen). Für diesen Zweck hatte er einen rassebiologischen Schulungslehrgang in Prag absolviert. Dann wurde er in Kiew, Rumänien und Jugoslawien als Hilfseignungsprüfer, ab April 1943 als Eignungsprüfer eingesetzt. Von Oktober 1943 bis April 1945 war er Angehöriger der Dienststelle des Führers im Rasse- und Siedlungswesen beim HSSPF Rhein/Westmark in Wiesbaden. Über die Fremdarbeiter wurde dabei ein Rassegutachten angefertigt, die in einer abschließenden Bewertung über eine mögliche Eindeutschung (I = sehr gut bzw gut geeignet; II = geeignet, keine Bedenken; II/III = noch tragbar, keine wesentlichen Bedenken; III = ungeeignet; Bedenken; IV völlig ungeeignet; schwere Bedenken; IV F = untragbar; schwerste Bedenken) endete. Die Berichte wurden über den HSSPF Rhein/Westmark an das Amt IV des RSHA weitergeleitet. Die rassische Beurteilung war insofern von großer Bedeutung, da davon die Entscheidung des Amtes IV im RSHA über eine Exekution oder Einweisung in ein KZ oder andererseits die Einweisung in das Sonderlager Hinzert zur "Eindeutschung" abhing. 1941 und 1942 wurde eine Vielzahl polnischer und russischer Zivilarbeiter wegen verbotenen Geschlechtsverkehrs mit Deutschen hingerichtet. Diese Tötungen erfolgten aus niederen Beweggründen (Rassenhaß); daher Mord. Durch Dokumente war die Beteiligung des Beschuldigten als Gutachter an sog. Sonderbehandlungsfällen belegt. Nicht nachgewiesen werden konnte ihm jedoch, daß ein von ihm negativ begutachteter Fremdarbeiter auch hingerichtet wurde.
Der Beschuldigte gab an, die Bedeutung des Begriffs "Sonderbehandlung" anfangs nicht gekannt zu haben, später sei sie ihm bekannt geworden, da habe er aber "nicht mehr zurückgekonnt". Er behauptete, die von ihm überprüften und rassisch begutachteten Fremdarbeiter hätten schwere Straftaten (wie Mord oder Raubüberfall) begangen, so daß er auf ihr Schicksal keinen Einfluß hatte. Ermittlungen ergaben, daß er von September 1943 bis November 1944 mindestens 36 Fremdarbeiter und deutsche Staatsangehörige rassisch begutachtete. Alle waren wegen Geschlechtsverkehrs, nicht wegen Straftaten, überprüft worden. 16 Fremdarbeiter beurteilte er mit RuS II oder noch II. Das Schicksal dieser Personen blieb unbekannt und war juristisch irrelevant. Selbst wenn sie exekutiert wurden, so ist dem Beschuldigten angesichts seiner Gutachtertätigkeit kein Vorwurf der Beihilfe zum Mord zu machen. 20 weitere Fremdarbeiter und Deutsche bewertete er aber negativ (III bzw. IV). 9 erlebten nachweislich das Kriegsende. Beihilfe zum versuchten Mord ist nicht nachweisbar, da ein Antrag auf Sonderbehandlung noch nicht den Anfang der Ausführungshandlung darstelle, so die Staatsanwaltschaft. Zwei der beurteilten Personen waren Deutsche, gegen die wegen Geschlechtsverkehrs mit Fremdarbeiterinnen ermittelt wurde; Deutsche wurden aber meist nicht hingerichtet, sondern in ein KZ verbracht. Einer der Fremdarbeiter, Stanislaus Adamczyk, verstarb am 16.04.1945 im KZ Dachau.
Es gab jedoch keine Hinweise auf einen Zusammenhang mit dem Sonderbehandlungsverfahren vom Oktober 1944. In 8 Fällen vom Beschuldigten begutachteten Fremdarbeitern ließ sich das Schicksal nicht mehr klären. Ob sie tatsächlich "sonderbehandelt", d.h. hingerichtet wurden, wurde bezweifelt, da die meisten Exekutionen wegen verbotenen Geschlechtsverkehrs zwischen Fremdarbeitern und Deutschen in die Jahre 1941 und 1942 fielen. Angesichts der kriegswirtschaftlichen Lage sah das RSHA außer in besonders schweren Fällen von der Hinrichtung ab. So wurden vermutlich auch rassisch ungünstig beurteilte Fremdarbeiter nicht exekutiert. Drei dieser 8 ungünstig beurteilten Fremdarbeiter wurden trotz der Beurteilung zur Eindeutschung in das SS-Sonderlager Hinzert bei Trier verbracht. (Siehe Trier 5 Js 932/59). Bei einer der 8 Fremdarbeiter ist die Hinrichtung wegen ihres Geschlechts unwahrscheinlich. Sog. fremdvölkische Frauen, die Geschlechtsverkehr mit deutschen Männern hatten, wurden meist nicht "sonderbehandelt", da häufig ein Abhängigkeitsverhältnis zum Dienstherrn bestand. Eine Hinrichtung einer Fremdarbeiterin wegen verbotenen Geschlechtsverkehrs mit einem Deutschen wurde nicht bekannt.
Staatsanwalt:Klemm
Alte Aktenzeichen staatsanw. Ermittlungsverfahren:Staatsanwaltschaft Hamburg 147 Js 70/67
Former reference codes:213-12_0210
Angeklagte / Beklagte:Ratzeburg, Reinhold, geb. am 23.05.1912 in Hamburg, SS-Oberscharführer
Date of birth:5/23/1912
 

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End of term of protection:12/31/2002
Permission required:Keine
Physical Usability:Uneingeschränkt
Accessibility:Öffentlich
 

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